Branchenkommentar Lebensversicherung 2020: „Und täglich grüßt das Murmeltier“

Die ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur hat im Februar 2020 ihre jährliche Untersuchung zu Überschussbeteiligungen und Garantien deutscher Lebensversicherer veröffentlicht. Lesen Sie hier eine Kommentierung der Branchensituation durch Assekurata-Geschäftsführer Dr. Reiner Will aus dem Vorwort der Studie.

„Und täglich grüßt das Murmeltier“ ist der Titel einer allenthalben bekannten US-amerikanischen Filmkomödie aus dem Jahr 1993. In dieser spielt Bill Murray den äußerst egozentrischen TV-Wetteransager Phil Connors, der in einer Zeitschleife festsitzt und ein und denselben Tag immer wieder erlebt, bis er als geläuteter Mann sein Leben fortsetzen kann. Das Motiv der Zeitschleife beschleicht mich auch bei der Formulierung dieses Vorworts. In jeder unserer zurückliegenden 18 Studien stand ein Thema stets im Mittelpunkt der Betrachtungen, nämlich die sinkenden Zinsen an den Kapitalmärkten und deren Auswirkungen auf die Deklarationen und Garantien der Lebensversicherer.

Allem Anschein nach dürfte sich daran in absehbarer Zeit auch wenig ändern. Umso mehr ist wie im Film ein Wandlungsprozess der Hauptdarsteller vonnöten. Die Branche steckt mittendrin. Dies lässt sich unter anderem an dem Ringen um den Höchstrechnungszins erkennen. Eine Absenkung ist angesichts der Zinsentwicklung unumgänglich. Allerdings wird die Diskussion um die neue Zinshöhe zu einem Politikum, geht es doch insbesondere darum, die Zinsgarantie auf geförderte Produkte noch darstellen zu können. Bei einem Rechnungszins von 0,5 % dürfte dies einzelnen Anbietern gerade noch gelingen, ab 0,3 % wäre dies hingegen kaum noch möglich, und daher gibt es selbst auf diesem niedrigen Niveau noch widerstrebende Interessen. Insoweit sortiert sich der Markt neu, denn anders als Bill Murray im Spielfilm stehen den Gesellschaften für ihre Selbsterziehung nicht unendliche Wiederholungstage zur Verfügung. Der Wandel vollzieht sich aktuell vor unseren Augen.

Sichtbar wird dies auch an der Entwicklung der Zinszusatzreserve. Die Umstellung auf die Korridormethode hatte 2018 für deutliche Entlastung auf der Zeitschiene gesorgt, sank doch der Zuführungsbedarf von über zwanzig auf sechs Milliarden Euro. Gleichwohl durchkreuzt die weiter rückläufige Zinsentwicklung die Wirkung dahingehend, dass wir in unseren aktuellen Berechnungen feststellen, dass der Zuführungsbedarf auf lange Sicht wieder in etwa auf dem Niveau unserer Prognose vor Einführung der Korridormethode liegt. Der Finanzierungsbedarf ist somit weiterhin hoch, allerdings sind die Gesellschaften, abhängig vom Bestandsmix, durchaus unterschiedlich betroffen. Passend dazu hat das Bundesministerium der Finanzen im Januar 2020 einen Referentenentwurf vorgelegt, der Regelungen zu freiwilligen Einschüssen der Eigentümer von Lebensversicherungsunternehmen und anderer Beteiligter zur Absicherung der Zinsgarantien beinhaltet.

Weiterer Druck auf die Erträge und damit auch auf die Überschussbeteiligung kommt aus dem regulatorischen Umfeld. Das im Oktober 2019 veröffentlichte Konsultationspapier der EIOPA lässt ahnen, dass die in diesem Jahr anstehende Überprüfung von Solvency II zu erhöhten Sicherheitsmittel-Anforderungen führen dürfte, die es letztlich zu finanzieren gilt. Dies betrifft insbesondere mögliche Änderungen bei der Extrapolation der risikofreien Zinsstrukturkurve und die Angemessenheit der Kalibrierung des Zinsrisikos im Hinblick auf starke Zinsrückgänge und negative Zinsen. Kapitalerhöhungen durch die Eigentümer werden hierdurch wahrscheinlicher.

Der Läuterungsprozess der Lebensversicherer, in Bezug auf die Neuausrichtung des Produktangebots und den Umgang mit den Altbeständen, Stichwort Run-off, setzt sich fort. Waren wir an dieser Stelle im Vorjahr noch optimistisch, eine gewisse Bodenbildung bei den Deklarationen erwarten zu können, hat sich der Ausblick unter den aufgezeigten Rahmenbedingungen wieder eingetrübt. Gleichwohl relativiert sich eine niedrige Deklaration, wenn andernorts Negativzinsen drohen oder gar Realität geworden sind.

Unverändert sind die Informationen zur Überschussbeteiligung nicht nur für Neukunden von Interesse, sondern vor allem auch für Kunden, die jahrelange Altersvorsorge in diesen Verträgen betreiben. Wie in jedem Jahr haben wir wieder alle Gesellschaften, unabhängig davon, ob sie im Neugeschäft aktiv sind oder sich die Verträge im Run-off befinden, zur Teilnahme eingeladen. Gerade angesichts der öffentlichen Diskussion um das Thema Run-off gibt es aus unserer Sicht genügend Gründe für Lebensversicherer, durch eine Teilnahme für mehr Transparenz zu sorgen. Wir danken allen Studienteilnehmern herzlich für ihre Unterstützung, mit welcher wir auch in diesem Jahr einen Marktanteil von fast 80 Prozent des deutschen Lebensversicherungsmarktes in die Studie einbeziehen konnten.

Hintergrundinformationen

Der Artikel stammt aus dem Vorwort der Assekurata-Marktstudie 2020 zu Überschussbeteiligungen und Garantien in der Lebensversicherung, die am 13. Februar veröffentlicht wurde. Insgesamt 47 Unternehmen nahmen in diesem Jahr teil, die nach Prämieneinnahmen einen Marktanteil von 79 % widerspiegeln.

Die Studie offenbart, wie Altersvorsorgeverträge aus den Bereichen Klassik, Neue Klassik und Indexpolicen aktuell verzinst werden und welche Renditen die Kunden erwarten können. Darüber hinaus erhält der Leser umfangreiche Informationen rund um das Thema Garantien, beispielsweise zur Zerlegung der Deckungsrückstellung nach Tarifgenerationen und zur Dotierung der Zinszusatzreserve.

Die knapp 130-seitige Marktstudie 2020 einschließlich vieler Einzelauswertungen kann auf der Internetseite www.assekurata.de bestellt werden. Auf diesen Seiten finden Interessenten auch alle Assekurata-Ratingberichte kostenlos zum Download.