Die Solvabilitätsübersicht (synonym: Solvenzbilanz) ist eine Gegenüberstellung von Vermögensgegenständen und Verpflichtungen der Versicherungsunternehmen. Sie bildet die Grundlage für die Beurteilung der Finanz- und Risikosituation des Versicherungsunternehmens und dient nach § 74 VAG der Bestimmung der vorhandenen Eigenmittel unter Solvency II. Hierbei erfolgt eine ökonomische, d.h. marktkonsistente Bewertung der Aktiva und Passiva. Als marktkonsistente Bewertung wird dabei der Wert verstanden, der „zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern“ bestimmt werden würde, der zu einem Tausch führen könnte (Art. 75 Abs. 1a bzw. 1b SII RL; § 74 Abs. 2 bzw. 3 VAG). Die Solvabilitätsübersicht ist gemäß § 35 Abs. 2 VAG von einem externen Abschlussprüfer zu prüfen.
Bilanzstruktur
Auf der Aktivseite ist bei vielen Vermögensgegenständen eine „mark-to-market“-Bewertung möglich. Ist dies nicht möglich, so wird die Bewertung nach IFRS-Vorschrift als sinnvolle Approximation angesehen. Ein Aktivierungsverbot besteht gemäß Art. 12 Nr. 1 Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 für den Geschäfts- oder Firmenwert. Ebenfalls nicht zu erfassen sind abzugrenzende Abschlusskosten, da Abschlusskosten gemäß Art. 28 Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 bei der Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen berücksichtigt werden. Dafür wird als zusätzliche Aktivposition die einforderbaren Beträge aus Rückversicherungsverträgen und gegenüber Zweckgesellschaften bilanziert. Hierbei handelt es sich um die zedierten Reserven, für die das Versicherungsunternehmen Rückversicherungsschutz eingekauft hat. Der Ausweis erfolgt demnach nach dem Bruttoprinzip.
Abbildung 1: Solvabilitätsübersicht (schematische Darstellung)
Die Verpflichtungen auf der Passivseite können grob in die Bereiche versicherungstechnische Rückstellungen, sonstige Verbindlichkeiten und ökonomisches Eigenkapital eingeordnet werden. Für Verpflichtungen ist eine „mark-to-market“-Bewertung meist nicht möglich. Bei den versicherungstechnischen Rückstellungen erfolgt die Bewertung anhand zweier Methoden. Können die zukünftigen Zahlungsströme aus den Versicherungsverpflichtungen anhand von Finanzinstrumenten verlässlich nachgebildet werden, so bilden der Marktwert dieser Finanzinstrumente die Grundlage der Bewertung (§ 76 Abs. 2 VAG). Ansonsten entspricht der Wert der versicherungstechnischen Rückstellungen der Summe aus dem besten Schätzwert und einer Risikomarge, welche getrennt voneinander zu berechnen sind (§ 76 Abs. 1 VAG). Für nicht-versicherungstechnische Verbindlichkeiten (wie u.a. Steuerverbindlichkeiten) ist eine Bewertung nach IFRS analog zu den Aktivpositionen vorzunehmen.
Der Überschuss der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten (abzüglich eigener Aktien und zuzüglich nachrangiger Verbindlichkeiten) entsprechen den Basis-Eigenmittel, welche Bestandteil der anrechnungsfähigen Eigenmittel sind.
Latente Steuern können sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite ausgewiesen werden. Latente Steuern ergeben sich hierbei aus Bewertungsdifferenzen zwischen den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten gemäß Solvabilitätsübersicht und den Vermögenswerten und Verbindlichkeiten gemäß der Steuerbilanz.
Hintergrundinformationen
Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:
- Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).
- Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (SII RL).
- Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II).
- Gründl und Kraft (2019): Solvency II – Eine Einführung, 3. Aufl., VVW GmbH, Karlsruhe.
- Rohlfs, Savic und Will (2020): Rechnungslegung und Controlling der Versicherungsunternehmen, VVW GmbH, Karlsruhe.
Alle Aussagen in dem Artikel sind vorbehaltlich etwaigen Verständnis- und Übersetzungsfehlern.