Wie auch in den vergangenen Berichtsperioden erfüllen Kranken- und Schaden-/Unfallversicherer die Anforderungen von Solvency II 2018 komfortabel. In der Lebensversicherungsbranche, die aufgrund ihres Geschäftsmodells stärkeren Restriktionen unterliegt, haben die Solvenzquoten sogar einen leichten Anstieg verzeichnet.
Mit Blick auf die Modellparameter unter Solvency II hat die Europäische Kommission jüngst die Annahmen der Standardformel überprüft. Sofern EU-Rat und EU-Parlament dem Vorschlag für die Anpassung der Delegierten Verordnung nicht widersprechen, treten mit Wirkung ab 2019 unter anderem die folgenden Regeln in Kraft:
Im Spreadrisikomodul bekommen die Versicherer Erleichterungen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Non-Rated-Papiere gemäß eigener Kreditrisikobeurteilung eingestuft und so deren Kapitalbedarf mitunter deutlich gesenkt werden. Damit ist jedoch erheblicher administrativer Aufwand verbunden, so dass abzuwarten bleibt, inwieweit die Versicherer tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Je nach Portfoliostruktur stellt die Ausweitung von Solva-Null-Titeln auf von europäischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften garantierte Papiere den größeren Vorteil dar, der die Solvenzquoten ceteris paribus ansteigen lassen dürfte.
Die Anforderungen an die risikomindernde Wirkung latenter Steuern werden dagegen verschärft. Sofern deren Risikoreduktion höher als die bilanzierten latenten Steuern ausfällt, müssen die Unternehmen die risikomindernde Wirkung nachweisen. Dabei dürfen künftig nicht mehr die Geschäfte der kommenden zehn, sondern maximal fünf Jahre berücksichtigt werden, deren Cashflows mit dem risikolosen Zinssatz auf den jeweiligen Bilanzstichtag diskontiert werden. Durch diese Einschränkung reduziert sich bei einigen Unternehmen der Barwert der Gewinne abzüglich der bereits in der Marktwertbilanz berücksichtigten Gewinne und damit letztlich die risikomindernde Wirkung latenter Steuern, wodurch die Solvenzquoten sinken. Diese Regelung soll im Gegensatz zu den vorherigen erst zum 01.01.2020 in Kraft treten.
Weitere Veränderungen der Standardformel sind ein Look-Through Ansatz für Beteiligungen sowie die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Aktieninvestments mit weniger Risikokapital zu unterlegen, was jedoch für die Aktienportfolien deutscher Versicherer nicht relevant ist. Hinzu kommen ab 2020 neue Stressfaktoren für das Prämien- und Reserverisikomodul, die vor allem bei Rechtschutzversicherern zu geringeren Solvenzanforderungen führen dürften.
In der Standardformel wird das Zinsrisiko aktuell mittels eines relativen Stresses der risikolosen Zinskurve ermittelt, bei dem negative Zinssätze nicht weiter verändert werden. Da diese im Zinsumfeld mittlerweile Realität geworden sind, erscheint auch hier ein Stress auf negative Zinssätze angemessen. Dabei wird statt eines relativen Stresses ein relativer Shift-Ansatz als Vorschlag diskutiert. Dabei wird die Zinskurve in bestimmten Zinskonstellationen zunächst linear nach oben verschoben, relativ gestresst und anschließend wieder (wie zuvor) linear nach unten verschoben. Die Auswirkungen dieser Methodenveränderung sind in der Abbildung illustriert.
Es ist zu erkennen, dass sich vor allem die Down-Zinskurven (orangefarbene Linien) deutlich vom Status Quo unterscheiden. Während für kurze Laufzeiten die EIOPA Zinskurve Down nur minimal von der Basiszinskurve abweicht, würde die neue Berechnungsmethodik hier ein deutlich adverseres Szenario darstellen. Durch die vorgeschlagene Berechnungsmethodik werden negative Zinskurven (hart) gestresst, was die Kapitalanforderung für diese Szenarien und damit das gesamte SCR erhöht. Expertenschätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass sich im Zuge der Auswirkungen eines relativen Shifts das Marktrisiko um knapp 50 % erhöhen würde, was die Solvenzquote drastisch senken würde. Für die kommende Berichtsperiode ist der verschärfte Zinsstress noch nicht relevant, da dieses Thema ganzheitlich zusammen mit den LTG-Maßnahmen im Rahmen des 2020 anstehenden Solvency-II-Reviews betrachtet werden soll.
In diesem Review werden neben weiteren Themen auch die Berichtspflichten der Versicherer thematisiert. Vor allem kleine Versicherer haben weiterhin mit der Berichtslast zu kämpfen und wünschen sich im Sinne der Proportionalität insbesondere bei den SFCR-Berichten Erleichterung. Assekurata geht davon aus, dass die EIOPA diesem Wunsch zumindest teilweise nachkommt und die Inhaltsanforderungen an die narrativen Berichtsteile und die QRT-Anhänge entschlackt, zugleich aber mehr Laientransparenz im Sinne der Versicherungsnehmer einfordert. Ebenfalls auf den Prüfstand könnte die Anrechenbarkeit von Übergangsmaßnahmen kommen, wobei die Positionen der Aufsichtsbehörden hierzu recht uneinheitlich und bisweilen noch vage sind.
Hintergrundinformationen
Der vorliegende Artikel ist ein Auszug aus dem Marktausblick zur Versicherungswirtschaft 2019/2020. Hierin zeichnet Assekurata ein aktuelles Bild über die Situation und Stimmung in der Lebensversicherung, der privaten Krankenversicherung und der Schaden-/Unfallversicherung sowie zu übergreifenden Themen wie Kapitalanlagen und Solvency II.
Wie gewohnt belassen es die Analysten dabei nicht bei der Darstellung der reinen Fakten, sondern kommentieren die wesentlichen Markttrends aus der Assekurata-Perspektive und wagen an verschiedenen Stellen einen Blick in die Zukunft.
Nähere Informationen zu Inhalten und Bezugsmöglichkeiten des Reports finden Interessierte auf der Internetseite www.assekurata.de/ im Bereich Publikationen/Studien.