Die im April 2020 veröffentlichten Solvenzquoten der Versicherer wurden in Analystenkreisen und Branchenmedien wieder intensiv erörtert. Mit etwas Zeitversatz sind nun auch die Gruppen-Solvenzberichte verfügbar. Diese werden im Gegensatz zu den Solo-Informationen in der Öffentlichkeit bisweilen recht stiefmütterlich behandelt. Dabei bieten sie vielfältigen Anlass für eine genauere Analyse.
Überblick
Bereits im Jahr 2017 haben wir uns im Zuge der erstmaligen Veröffentlichung der Berichte über die Solvabilität und Finanzlage (SFCR) in dem Artikel „Gruppen-Solvenzberichterstattung unter Solvency II: Solo + Solo ≠ Gruppe“ diesem Thema gewidmet und eine grundlegende Einordung der Gruppen-SFCR vorgenommen. Im Rahmen der nunmehr vierten SFCR-Veröffentlichungsrunde können wir feststellen, dass sich die Gruppenwerte im Zeitverlauf als ziemlich robust erweisen. So liegt die aufsichtliche Gruppen-SCR-Quote zum Jahresende 2019 marktweit bei durchschnittlich 326 %, während sich der mehrjährige Durchschnitt von 2016 bis 2019 bei 330 % einpendelt. Unter Herausrechnung von Übergangsmaßnahmen (ÜM) fällt die SCR-Quote naturgemäß geringer aus, liegt aber 2019 (inklusive Volatilitätsanpassung) noch bei durchschnittlich 256 %, komplett ohne LTG-Maßnahmen schließlich bei 247 % (Basis-SCR-Quote). Damit rangieren die Gruppenquoten ohne Übergangs- bzw. LTG-Maßnahmen leicht unterhalb der Soloquoten in den Sparten Schaden-/Unfallversicherung und Lebensversicherung, aber deutlich unterhalb der Krankenversicherer. Lediglich beim Vergleich der aufsichtlichen SCR-Quote mit den Schaden-/Unfallversicherern liegt das Gruppen- über dem Solo-Niveau (vgl. Tabelle). Ein rechnerischer Rückschluss der Gruppensolvenz aus den Werten der einzelnen Gesellschaften ist damit in aller Regel nicht möglich.
Marktverteilung im Zeitverlauf
Bei einer Detailbetrachtung der Gruppensolvenz sind jedoch große unternehmensindividuelle Unterschiede festzustellen. So lag die Basis-Solvenzquote in den vergangenen vier Jahren im Maximum bei 691 %, im Minimum dagegen bei gerade einmal 15 %. Zur Veranschaulichung dieser großen Streuung gibt die folgende Abbildung die Marktverteilung in den einzelnen Bilanzjahren in Form von Boxplot-Diagrammen wieder. Dabei ist der zentrale Verteilungsbereich zwischen dem 25 %- und 75 %-Quantil als farbige „Box“ hinterlegt, die optisch durch den Median geteilt wird. Auf den unteren und oberen „Antennen“ (Whiskern) sind die Extremwerte der Verteilung abgetragen.
Neben der großen Spannweite im Markt wird anhand der Abbildung auch deutlich, dass sich die Solvenzquoten seit Einführung von Solvency II (leicht) verbessert haben, insbesondere am unteren Ende der Verteilung. Gleichwohl erreichen drei Gruppen zum 31.12.2019 ohne Übergangsmaßnahmen nicht die Anforderung von 100 %. Die Höchstwerte liegen trotz des extrem niedrigen Zinsniveaus am Kapitalmarkt dagegen noch immer bei fast 600 %.
Wirkung der Diversifizierung
Wie schon bei der erstmaligen Analyse vor einigen Jahren profitieren die Gruppenmodelle unter Solvency II etwas stärker von Diversifikationseffekten als die Solo-Modelle. Während die Diversifikation in der Basis-Solvenzkapitalanforderung der Solo-Modelle (BSCR mit Standardformel) Ende 2019 zu einer Reduktion der Kapitalanforderungen von durchschnittlich 28 % führt, spiegeln die Gruppen hier eine Entlastung von 34 % wider. Vielschichtig betriebene Geschäftsfelder führen insoweit vor allem auf Gruppenebene zu reduzierten Kapitalanforderungen, wobei dies nicht auf jeden Einzelfall zutrifft.
Internationalität und Anzahl von Konzerngesellschaften
Jenseits der eigentlichen Solvenzinformationen enthalten die Gruppen-SFCR auch Informationen zu den vorhandenen Beteiligungen und verbundenen Unternehmen. Auf Basis dieser Angaben lassen sich konzernbezogene Länderanalysen vornehmen und wie folgt visualisieren:
Die weltweite Darstellung der Konzernaktivitäten offenbart, dass die deutschen Versicherungsgruppen international vorwiegend in den USA (331 Unternehmen) vertreten sind, gefolgt von Frankreich (322) und Luxemburg (222), noch vor Großbritannien, Italien und Spanien. In- und Ausland zusammengenommen weist die Allianz mit knapp 1.500 die größte Zahl an Konzerneinheiten auf. Weniger als halb so viele hält die Münchener Rück (694). Auf über 100 Einheiten kommen darüber hinaus noch die Generali, HDI und R+V.
Zu solvencyDATA
Die in diesem Artikel verwendeten Daten und Abbildungen stammen aus solvencyDATA, einer Gemeinschaftsplattform von ISS Software, Assekurata und V.E.R.S. Leipzig. solvencyDATA Classic ist ein anwenderorientiertes Informationstool, mit dem detaillierte Markt- und Einzelanalysen, individuelle Auswertungen und gezielte Datenexporte möglich sind. Für einen schnellen Überblick bieten sich die solvencyDATA Factsheets an, in denen wesentliche Kennzahlen aus den SFCR-Berichten der deutschen Versicherer kompakt auf jeweils zwei Seiten zusammengetragen sind. Nähere Informationen: www.solvencydata.com.