Die Mindestkapitalanforderung (engl. Minimum Capital Requirement, MCR) stellt eine Kapitaluntergrenze dar, welche die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen mindestens mit anrechnungsfähigen Basiseigenmittel zu bedecken haben.
Im Falle einer drohenden Unterdeckung innerhalb der nächsten drei Monate muss das Versicherungsunternehmen die Aufsichtsbehörde unverzüglich darüber informieren und einen kurzfristigen und realistischen Finanzierungsplan vorlegen. Aus diesem muss hervorgehen, wie die anrechnungsfähigen Basiseigenmittel innerhalb von drei Monaten erhöht oder das Risikoprofil gesenkt werden sollen, so dass die Mindestkapitalanforderung wieder bedeckt ist (§ 135 Abs. 1 und 2 VAG). Bei andauernder Unterschreitung kann die Aufsichtsbehörde die freie Verfügung über die Vermögenswerte des Versicherungsunternehmens einschränken oder untersagen (§ 135 Abs. 3 VAG).
Bestimmung der Mindestkapitalanforderung
Die Artikel 248 bis 251 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 regeln die Bestimmung der Mindestkapitalanforderung, welche durch Abbildung 1 veranschaulicht wird.
Abbildung 1: Struktureller Aufbau der MCR-Berechnung (ohne Mehrsparten-VU).
Bei der Berechnung des MCR wird eine lineare Formel (lineare Mindestkapitalanforderung) mit einer Untergrenze von 25 % und einer Obergrenze von 45 % des SCR kombiniert (kombinierte Mindestkapitalanforderung). Dabei ist zu beachten, dass sie eine in Abhängigkeit vom betriebenen Geschäft absolute Untergrenze nicht unterschreiten darf (absolute MCR-Untergrenze, AMCR).
Die lineare Mindestkapitalanforderung ermittelt sich aus dem Bestandteil für Nichtlebensversicherungsverpflichtungen sowie dem Bestandteil für Lebensversicherungsverpflichtungen:
MCRlinear = MCR(linear,nl) + MCR(linear,l)
Der Bestandteil der linearen Formel für Nichtlebensversicherungsverpflichtungen wird in Artikel 250 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 beschrieben und wie folgt berechnet:
MCR(linear,nl) = Σsαs·TP(nl,s)+ βs·Ps
Dabei bezeichnet TP(nl,s) die versicherungstechnischen Rückstellungen für die Nichtleben-Segmente in den letzten zwölf Monaten. Ps bezeichnet die gebuchten Prämien in den jeweiligen Nichtleben-Segmenten in den letzten zwölf Monaten. Die Faktoren α und β sind segmentabhängig und werden im Anhang XIX der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 definiert.
Der Bestandteil der linearen Formel für Lebensversicherungsverpflichtungen wird in Artikel 251 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 beschrieben und wie folgt berechnet:
MCR(linear,l) = 0,037·TP(life,1) – 0,052·TP(life,2) + 0,007·TP(life,3) + 0,021·TP(life,4) + 0,0007·CAR
Mit:
- TP(life,1) bezeichnet die versicherungstechnischen Rückstellungen für garantierten Leistungen in Bezug auf Lebensversicherungsverpflichtungen mit Überschussbeteiligung,
- TP(life,2) bezeichnet die versicherungstechnischen Rückstellungen in Bezug auf künftige Überschussbeteiligungen für Lebensversicherungsverpflichtungen mit Überschussbeteiligung,
- TP(life,3) bezeichnet die versicherungstechnischen Rückstellungen bezogen auf index- oder fondsgebundene Lebensversicherungsverpflichtungen und
- TP(life,4) bezeichnet die versicherungstechnischen Rückstellungen für alle sonstigen Lebensversicherungsverpflichtungen.
- CAR bezeichnet das Gesamtrisikokapital. Hierunter ist die Summe des Risikokapitals zu allen Verträge zu verstehen, die Lebensversicherungsverpflichtungen begründen.
Alle Bestandteile für die Berechnung der linearen Mindestkapitalanforderung sind abzüglich der einforderbaren Beträge aus Rückversicherungsverträgen und gegenüber Zweckgesellschaften zu bestimmen und besitzen eine Untergrenze von null. Die jeweiligen versicherungstechnischen Rückstellungen sind ohne Risikomarge anzugeben.
Hintergrundinformationen
Der vorliegende Beitrag basiert auf der folgenden Quelle:
- Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).
- Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (SII RL).
- Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II).
Alle Aussagen in dem Artikel sind vorbehaltlich etwaigen Verständnis- und Übersetzungsfehlern.