In einer neuen Untersuchung hat Assekurata einen kritischen Blick auf die Auswirkungen von Run-offs in der Lebensversicherung geworfen. Dabei wurden die Erfolgsparameter dieses Geschäftsmodells anhand betriebswirtschaftlicher Einzeldaten sowohl aus Kunden- als auch aus Investorensicht untersucht. Die Ergebnisse fallen sehr unterschiedlich aus. Dies gilt auch für die Solvenzquoten.
Eine Versicherungsgesellschaft im „Run-off“ zeichnet definitionsgemäß kein Neugeschäft mehr. Der vorhandene Bestand wird zu den vereinbarten Bedingungen bis zum Ende eines jeden Versicherungsvertrages fortgeführt. Da keine neuen Verträge hinzukommen, reduziert sich der Bestand über natürliche oder vorzeitige Abläufe, so dass er nach und nach ausläuft. Bei einem internen Run-off wickelt der Versicherer seinen Bestand selbst ab, so dass die Eigentümer- und Vertragspartnerschaft gegenüber den Kunden unverändert bleibt. Im Gegensatz dazu kann die Abwicklung der alten Verträge auch externalisiert werden, das heißt auf ein anderes Versicherungsunternehmen übertragen oder das ganze Unternehmen an ein anderes veräußert werden.
Run-off ist in der deutschen Lebensversicherung noch ein vergleichsweise junges Phänomen, welches in der öffentlichen Berichterstattung häufig kritisch gesehen wird. Ein Grund dafür ist von Seiten der Bestandskunden oft die Sorge um die Sicherheit ihrer Altersvorsorgeverträge. Dies mag insbesondere dann der Fall sein, wenn sie ihre Police bewusst bei einem traditionsreichen Lebensversicherer in der Annahme abgeschlossen haben, dass dieser bis zum Laufzeitende ihr Vertragspartner bleibt und die Leistung sicher erbringen wird. Ein Verkauf an einen Investor lässt bei einigen Kunden Zweifel an der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit aufkommen. Hier sei zunächst darauf verwiesen, dass einem Verkauf bzw. einer Bestandsübertragung die intensive Prüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Wahrung der Kundeninteressen vorausgeht. Hinzu kommt, dass im Falle einer Unternehmensübertragung, der vorrangig gewählten Methode für einen externen Run-off, sich der Vertragspartner des Versicherungsnehmers gar nicht ändert, sondern das alte Lebensversicherungsunternehmen „lediglich“ in den Konzern der Run-off-Plattform als neuem Inhaber eingegliedert wird. Im Fall einer Bestandsübertragung gilt dies zwar nicht unmittelbar, da die Verträge auf ein anderes (neues) Unternehmen übertragen werden. Jedoch ist auch hier die aufnehmende Gesellschaft zwangsläufig ein Versicherungsunternehmen mit deutscher Versichererlizenz. Sie steht damit vollumfänglich unter BaFin-Aufsicht.
Jenseits dieser rechtlichen Aspekte sind die Solvenzquoten (SCR-Quoten) unter Solvency II eine relevante Messgröße für die quantitative Einschätzung der Sicherheit von (Run-off-)Lebensversicherungsunternehmen. Die folgende Boxplot-Grafik bietet dazu einen Überblick über die aufsichtlichen Solvenzquoten der sieben betrachteten Run-off-Unternehmen. Die graue Box in der Mitte stellt dabei den Bereich zwischen dem 25 %-Quantil und dem 75 %-Quantil, getrennt durch den Median dar. Die Whisker (Antennen) zeigen den gesamten Bereich der Verteilung. Ihr Ende markiert jeweils den höchsten bzw. niedrigsten beobachteten Wert. Der graue Punkt gibt den arithmetischen Durchschnitt der sieben Run-off-Versicherer an, während die grüne Raute im Vergleich dazu den arithmetischen Durchschnitt der 87 deutschen solvency-II-pflichtigen Lebensversicherer („Markt“) abbildet.
Seit Einführung von Solvency II im Jahr 2016 erfüllen alle Run-off-Versicherer ausnahmslos die gesetzliche Mindestanforderung von 100 %, wenngleich das mittlere Niveau (grauer Punkt) geringer als im Gesamtmarkt (grüne Raute) ist. Zwischen den betrachteten Run-off-Versicherern gibt es allerdings erhebliche Unterschiede. Zudem vollziehen die Gesellschaften die generelle Aufwärtsbewegung im Zeitverlauf nicht mit, die im Gesamtmarktdurchschnitt erkennbar ist. Gerade 2018 verzeichnete der Marktschnitt eine beachtliche Steigerung auf 483 % (2017: 446 %), was einem mehr als auskömmlichen Niveau entspricht, wenngleich im aktuellen Zinsumfeld nicht davon auszugehen ist, dass sich die Quote nachhaltig in diesen Regionen manifestieren wird. Zudem fiel durch die Anwendung von Erleichterungsmaßnahmen die aufsichtsrechtliche Quote auf Marktebene für 2018 um insgesamt 210 Prozentpunkte höher aus als die nachfolgende „Basis SCR-Quote“, bei der die Effekte aus Übergangsmaßnahmen und Volatilitätsanpassung herausgerechnet sind.
Ohne Berücksichtigung von Erleichterungsmaßnahmen fällt die SCR-Quote naturgemäß geringer aus als die aufsichtliche SCR-Quote. Von den sieben einbezogenen Run-off-Versicherern weisen drei eine Basisquote von weniger als 100 % aus. Dies hat zwar keine direkten aufsichtsrechtlichen Konsequenzen, die BaFin beaufsichtigt diese Unternehmen jedoch erfahrungsgemäß intensiv(er), um bis zum Ende des Übergangszeitraums sicherzustellen, dass die Solvenzkapitalanforderungen auch ohne Übergangsmaßnahmen erfüllt werden können. Entlastend kann sich hier bei Run-off-Versicherern auswirken, dass der Bestand und das damit verbundene Risiko im Laufe der Zeit bereits über den natürlichen Ablaufprozess geringer wird, was sich dann sukzessive in höheren Solvenzquoten niederschlagen dürfte.
Hintergrundinformationen
Mit der Publikation „Run-off in der Lebensversicherung 2019 – Empirische Kennzahlenuntersuchung von externen Run-off-Gesellschaften“ veröffentlichte die ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur im Oktober 2019 zum ersten Mal eine Untersuchung zu den Auswirkungen von Run-offs in der Lebensversicherung. In der Studie werden die Erfolgsparameter dieses Geschäftsmodells anhand betriebswirtschaftlicher Daten hinterfragt. Dabei wird untersucht, ob sich Kunden bezüglich der Sicherheit des neuen Vertragspartners bzw. Eigentümers Sorgen machen sollten und inwiefern sie auch im (externen) Run-off am Unternehmenserfolg beteiligt werden. Darüber hinaus wird aus Investorensicht geprüft, inwieweit das Geschäftsmodell Run-off profitabel ist. Die rund 40-seitige Studie einschließlich vieler Einzelauswertungen sowie wesentliche Studiendaten im Excel-Format können im Internet unter www.assekurata.de bestellt werden. Dort sind auch weitere Detailinformationen zu den Untersuchungsinhalten verfügbar.