Die logarithmische Normalverteilung oder kurz
Lognormalverteilung ist oftmals eine der zentralen Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur Beschreibung von versicherungstechnischen Risiken. Sie wurde insbesondere in den technischen Spezifikationen der QIS 5 zur Berechnung des Solvenzkapitals (SCR) für das
Prämien- und
Reserverisiko im Bereich Non-Life und auch im Bereich der Krankenversicherung nach Art der Schadenversicherung herangezogen. Die aktuelle technische Spezifikation geht von einem anderen Ansatz aus, den man aber auch als approximative Annäherung interpretieren kann.
Statistische Grundlagen
Besitzt ein nicht-negatives Risiko
X eine
Lognormalverteilung, so ist das logarithmierte Risiko
Y = ln(X) normalverteilt. Die Gauß’sche
Normalverteilung
(µ,σ²) ist durch die beiden Parameter
µ ∈ ℝ (Erwartungswert) und
σ² ∈ ℝ+ := {x ∈ ℝ | x > 0} (Varianz) charakterisiert. Die Größe
σ = √σ² heißt in der Statistik auch
Standardabweichung oder Streuung. Bezeichnet
m = E(X) den Erwartungswert von
X und
s² = Var(X) die Varianz von
X, so besteht folgende Beziehung zwischen diesen Größen und den Parametern
µ und
σ²:

Sind umgekehrt die Parameter
m und
s² gegeben, so lassen sich daraus die ursprünglichen Parameter
μ und
σ² wie folgt zurückberechnen:

Die Bestimmung des
β-Quantils
LNβ = LNβ(µ,σ²) der Lognormalverteilung mit den Parametern
µ und
σ² und zum Niveau
β ∈ (0,1) erfolgt über das
β-Quantil
Nβ = Nβ(µ,σ²) der Normalverteilung mit den Parametern
µ und
σ² gemäß
β = P(X ≤ LNβ) = P(ln(X) ≤ ln(LNβ))
= P(ln(X) ≤ Nβ),
woraus sich
Nβ = ln(LNβ) bzw. LNβ = exp(Nβ)
ergibt. Das allgemeine
β-Quantil
Nβ(µ,σ²) der Normalverteilung steht mit dem
β-Quantil
Nβ(0,1) der
Standardnormalverteilung
(0,1) in folgendem Zusammenhang:
Nβ(µ,σ²) = µ + σ · Nβ(0,1).
Damit ist das allgemeine
β-Quantil der Lognormalverteilung gegeben durch
LNβ(µ,σ²) =exp(Nβ(µ,σ²)) = exp(µ + σ · Nβ(0,1)).
Verwendung in QIS 5
In den
QIS5 Technical Specifications von 2010 fand die Lognormalverteilung Anwendung bei der Berechnung des Solvenzkapitals für das
Prämien- und
Reserverisiko im Non-Life-Segment (vgl. dort SCR.9.16-SCR.9.18). Entgegen der statistischen Konvention bezeichneten dort die Größen
µ und
σ² den Mittelwert und die Varianz der Verteilung statt
m und
s². Zudem beruhte die angesetzte Darstellung des Quantils auf der Setzung
m := 1; für eine solche Wahl erhält man nämlich

und damit für das
β-Quantil

Dies erklärt unter Verwendung des unter Solvency II vorgegebenen Sicherheitsniveaus
β = 0,995 die Berechnungsformel für das SCR Non-Life in den Technical Specifications zu QIS 5 (vgl. QIS5 Technical Specifications, SCR.9.17)
Revised Technical Specifications und technische Spezifikationen für die Übergangszeit
In den
Revised Technical Specifications for the Solvency II valuation and Solvency Capital Requirements calculations (Part I) von 2012 sowie in den
Technical Specification for the Preparatory Phase (Part I) von 2014 wird die Lognormalverteilung nicht mehr explizit herangezogen. Stattdessen wird der Ansatz über das Lognormalverteilungsquantil durch einen Ansatz auf Basis der dreifachen Standardabweichung ersetzt (siehe dort SCR.9.15-SCR.9.16 bzw. SCR.9.11-SCR.9.12). Dabei ergibt sich das Solvenzkapital des Prämien- und Reserverisikos
X nun als
3s·V mit einer positiven Zahl
V und der Standardabweichung
s des normierten Risikos
X / V. Man erhält

also schließlich das Dreifache der Standardabweichung des absoluten Risikos
X Durch den synonymen Gebrauch des griechischen Buchstabens
σ für den Begriff „Standardabweichung“, lässt sich dieser Ansatz kurz als
3σ-Formel betiteln. In der zeitlich vorangegangenen technischen Spezifikation zur QIS 5 (in QIS5
Technical Specifications, SCR.9.18) wurde ungeprüft eine gewisse approximative Übereinstimmung des Berechnungsansatzes über das Lognormalverteilungsquantil und der
3σ-Formel unterstellt, nach der

für
σ² = ln(1+s²) gelten sollte, wobei keine konkrete Einschränkung für die Wahl von
s ∈ ℝ vorgenommen wurde. Definiert man
ρ(s) := LN0,995(–ln(1+s²)/2,ln(1+s²)) – 1 für s ∈ ℝ
+ , und legt ein geeignetes Intervall I ⊂ ℝ
+ zugrunde, so erhält man
ρ(s) ≈ 3s, für alle s ∈ I.
Die nachstehende Abbildung zeigt den relativen Approximationsfehler für sinnvoll erscheinende Wahlen von
s. Man beachte, dass die Approximation den zu approximierenden Wert im Falle positiver Werte übersteigt. Berücksichtigt man, dass ein verteilungsfreier Ansatz keine Grundlage zur Bestimmung eines Sicherheits- bzw. Risikoniveaus liefern kann, und wird gleichzeitig die Einhaltung eines hypothetischen Sicherheitsniveaus strikt gefordert, so liegt es nahe, auch weiterhin von einer nun aber still gestellten Lognormalverteilungsannahme auszugehen oder aber an einer anderen Stelle ein geeignetes Verteilungsmodell zu unterlegen – obgleich die handlichere Approximationsformel bei der Berechnung des Solvenzkapitals zur Anwendung kommt.