Prüfung der Solvabilitätsübersicht

Mit Umsetzung der Solvency-II-Richtlinie (2009/138/EG) führte der deutsche Gesetzgeber in § 35 Abs. 2 VAG sowohl auf Einzel- als auch auf Gruppenebene eine Prüfungspflicht der vom Versicherungsunternehmen zu erstellenden Solvabilitätsübersicht ein. Die Solvabilitätsübersicht gemäß § 74 Abs. 1 VAG dient zur Bestimmung der vorhandenen Eigenmittel und bildet die Basis für die Ermittlung der Solvabilitätskapitalanforderung (Solvency Capital Requirement = SCR). Aufgrund des in der Solvency-II-Richtlinie vorgesehenen Wahlrechts der EU-Mitgliedsstaaten, die Prüfungspflicht selbstständig national zu regeln, sind in Deutschland die Bestimmung der Solvabilitätskapitalanforderung sowie die Ermittlung der aufsichtsrechtlich zulässigen Eigenmittel, der gesamte Solvency and Financial Condition Report (SFCR) gemäß § 40 VAG oder andere Berichte an die Aufsichtsbehörden nicht Gegenstand der Prüfung. Stattdessen ist lediglich die Solvabilitätsübersicht zu prüfen.

Die Prüfung der Solvabilitätsübersicht nach § 35 Abs. 2 VAG stellt eine gesetzliche Erweiterung der Abschlussprüfung für aufsichtsrechtliche Zwecke dar, die durch den Abschlussprüfer zu erfolgen hat und über deren Ergebnisse gesondert zu berichten ist.[1] Auch aus Sicht einer effizienten und effektiven Prüfung ist es notwendig, dass der Abschlussprüfer des Jahresabschlusses ebenfalls die Solvabilitätsübersicht prüft. Nur so können sinnvoll Doppelprüfungen und Mehraufwand in der Prüfung vermieden werden. Die Grundlage für die Prüfung der Solvabilitätsübersicht bildet der durch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) im November 2017 final veröffentlichte Prüfungsstandard zur „Prüfung der Solvabilitätsübersicht nach § 35 Abs. 2 VAG (IDW PS 580)“, in dem insbesondere auf die Anforderungen an die Prüfungsplanung, -durchführung und Berichterstattung eingegangen wird. Zudem trat im Juli 2017 die finale „Verordnung über den Inhalt der Prüfungsberichte zu den Jahresabschlüssen und den Solvabilitätsübersichten von Versicherungsunternehmen (Prüfungsberichteverordnung – PrüfV)“ in Kraft, die ebenfalls die Inhalte des gesonderten Prüfungsberichts festlegt.

Als Prüfungsmaßstab dienen die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden nach §§ 74 bis 87 VAG sowie weitere Anforderungen aus der Solvency-II-Durchführungsverordnung (Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 (SII-DVO)), den internationalen Rechnungslegungsstandards und den technischen Durchführungsstandards.[2]

Im Prüfungsergebnis soll der Prüfer mit hinreichender Sicherheit beurteilen können, ob die Solvabilitätsübersicht entsprechend der gesetzlichen Vorschriften (§§ 74-87 VAG) aufgestellt wurde und ob durch das implementierte interne Kontrollsystem (IKS) wesentliche Falschangaben erkannt und vermieden werden. Das Versicherungsunternehmen erhält einen gesonderten Bericht einschließlich eines Prüfungsvermerks, in dem die Prüfung zusammengefasst und auf Empfehlungen und Feststellungen zur aufgestellten Solvabilitätsübersicht hingewiesen wird. Der Bericht muss ebenfalls der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden.

2. Prüfung der Solvabilitätsübersicht

Die Prüfung erfolgt im Rahmen eines risikoorientierten Prüfungsansatzes. Im ersten Schritt wird das für die Aufstellung der Solvabilitätsübersicht zugrunde liegende interne Kontrollsystem beurteilt.[3] Dafür muss zunächst der Prozess zur Erstellung der Solvabilitätsübersicht aufgenommen werden. Im Rahmen der Prüfungsplanung werden Gefahrenquellen für Fehler ermittelt, die als „wesentliche inhärente Risiken" bzw. „Kontrollrisiken" bezeichnet werden.[4] Darauf aufbauend werden Prüfungshandlungen als eine Kombination aus Funktionsprüfungen der internen Kontrollen und aussagebezogenen Prüfungshandlungen (analytische Prüfungshandlungen und Einzelfallprüfungshandlungen) durchgeführt.[5]

2.1  Verständnis zum Erstellungsprozess

Zu Beginn der Prüfung ist es notwendig, dass der Prüfer einen Überblick über den Prozess zur Erstellung der Solvabilitätsübersicht erlangt.  Im Anschluss muss der Prüfer in der Lage sein, die Risiken wesentlicher Falschangaben in der Solvabilitätsübersicht festzustellen und zu beurteilen. Damit am Prüfungsende mit hinreichender Sicherheit ein Prüfungsurteil erteilt werden kann, plant der Prüfer, aufbauend auf den ermittelten Risiken, die Prüfungshandlungen und führt diese durch.

Um sicherzustellen, dass die Solvabilitätsübersicht korrekt aufgestellt wird, muss das Unternehmen im Rahmen des Erstellungsprozesses wirksame Kontrollen implementieren, welche durch den Prüfer näher betrachtet werden. Das interne Kontrollsystem eines Unternehmens umfasst eine Vielzahl von Kontrollen. Im Rahmen der Prüfung betrachtet der Prüfer unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten lediglich eine Auswahl an Kontrollen.

Das für die Erstellung der Solvabilitätsübersicht relevante IKS wird in mehreren Schritten geprüft: Zunächst muss der Prüfer ein Verständnis für die betroffenen Prozesse entwickeln sowie die eingesetzten Systeme abgrenzen.[6] Im ersten Schritt erfolgt deshalb eine Prozessaufnahme, um den Weg der Daten vom Ursprung bis in die Solvabilitätsübersicht zu verstehen. Durch Befragungen, angeforderte Dokumentationen sowie Beobachtungen erhält der Prüfer Kenntnis darüber, wie die relevanten Informationen erfasst, verarbeitet und weitergeleitet werden und welche Kontrollen innerhalb dieses Prozesses implementiert wurden.[7] Es soll deutlich werden, wie die Aufstellung der Solvabilitätsübersicht im Hinblick auf verwendete Systeme und Verantwortlichkeiten organisiert ist. Der Fokus des ersten Schritts liegt auf der Hinterfragung der zur Erstellung der Solvabilitätsübersicht verwendeten Methoden, da der Prüfer anschließend beurteilen soll, ob die Methoden den Anforderungen nach dem VAG und der SII-DVO entsprechen.[8]

Während der Aufbauprüfung bewertet der Prüfer die zugehörigen internen Kontrollen hinsichtlich ihrer Angemessenheit.[9] Dabei beurteilt der Prüfer, ob der Prozess zur Erstellung der Solvabilitätsübersicht einschließlich der Kontrollen angemessen implementiert und dokumentiert wurde. Im Anschluss werden über die Funktionsprüfung die als angemessen eingestuften Kontrollen durch verschiedene Prüfungshandlungen, wie Befragungen, Überprüfungen oder Nachvollziehen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit getestet.[10]

Das abschließende Urteil dient als Basis für die weitere Prüfungshandlung, da aus einer reinen IKS-Prüfung noch keine hinreichende Sicherheit erzielt werden kann. Deshalb sind im Anschluss weitere aussagebezogene Prüfungshandlungen, analytische oder Einzelfallprüfungen, notwendig.

2.2  Prüfung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten

Bei der Prüfung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten werden oftmals Einzelfallprüfungen durchgeführt. Der Ansatz und die Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten in der Solvabilitätsübersicht erfolgen grundsätzlich nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS).[11] Unter Umständen können abweichend von dieser Regelung auch Methoden aus dem Jahres- oder Konzernabschluss gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) angewandt werden. Es ist einerseits zu prüfen, ob sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten angesetzt sowie Ansatzverbote bestimmter Posten eingehalten wurden (Ansatz).[12] Andererseits ist es ebenfalls die Aufgabe des Prüfers festzustellen, ob die angesetzten Vermögenswerte und Verbindlichkeiten gemäß denr Bestimmungen der SII-DVO bewertet bzw. die Voraussetzungen zur Verwendung einer anderen Methode erfüllt wurden (Bewertung).[13] Bei der Verwendung von Vereinfachungen, Erleichterungen oder Abweichungen von Standardbewertungsmethoden ist es die Aufgabe des Prüfers, die Begründung dafür nachzuvollziehen und die Zulässigkeit zu prüfen, d. h. zu prüfen, ob die in Art. 9 Abs. 4 SII-DVO genannten Kriterien für die Nutzung von Vereinfachungen zutreffen.[14] Eine Vereinfachung i.S.d. Art. 9 Abs. 4 SII-DVO wäre z. B. der Ansatz des handelsrechtlichen Wertes in der Solvabilitätsübersicht bei Forderungen oder Verbindlichkeiten.

Da der Prüfer am Ende der Prüfung mit hinreichender Sicherheit beurteilen muss, ob die Solvabilitätsübersicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften (§§ 74-87 VAG) aufgestellt wurde, wird mit sogenannten Wesentlichkeitsgrenzen gearbeitet. Dies bedeutet, dass nicht sämtliche Posten der Solvabilitätsübersicht geprüft werden, sondern lediglich die wesentlichen Posten. Bei der Bestimmung der Wesentlichkeit sind die im IDW PS 250 n. F. dargelegten Grundsätze zur Festlegung der Wesentlichkeit zu beachten. Welche Posten tatsächlich geprüft werden, ist jeweils von der Höhe der Werte in der Solvabilitätsübersicht des einzelnen Versicherungsunternehmens abhängig. Zu beachten ist jedoch, dass gemäß PrüfV bestimmte Posten immer, d. h. unabhängig von ihrer Höhe, geprüft werden müssen. Dazu zählen u. a. die immateriellen Vermögensgegenstände, die aktiven und passiven latenten Steuern, die versicherungstechnischen Rückstellungen sowie die Eventualverbindlichkeiten.[15]

Die Kapitalanlagen bilden bei Versicherungsunternehmen den größten Teil der Aktivseite, sodass sie aufgrund ihrer Höhe grundsätzlich wesentlich sind und folglich immer geprüft werden. Zudem schreibt die PrüfV vor, dass, sofern die Werte von bestimmten Kapitalanlageklassen, wie Aktien, Anleihen, Beteiligungen oder Darlehen und Hypotheken, aus Bewertungsverfahren und -modellen abgeleitet werden, über die Angemessenheit dieser Verfahren und Modelle berichtet werden muss.[16]

Gem. § 5 Abs. 3 PrüfV muss im Prüfungsbericht unter Berücksichtigung der Wesentlichkeit auf die einzeln geprüften Posten eingegangen und jeweils beschrieben werden, ob Ansatz und Bewertung angemessen sind.

Aktiva

Die folgende Abbildung zeigt vereinfacht die Vermögenswerte in der Solvabilitätsübersicht entsprechend dem Meldebogen (Quantitative Reporting Template, QRT S.02.01.01).[17]

Immaterielle Vermögenswerte dürfen in der Solvabilitätsübersicht nur unter bestimmten Voraussetzungen angesetzt werden (Marktfähigkeit) – ansonsten besteht für immaterielle Vermögenswerte grundsätzlich ein Ansatzverbot. Sofern immaterielle Vermögenswerte tatsächlich angesetzt werden, muss sich der Prüfer davon überzeugen, dass alle Voraussetzungen erfüllt sind und anschließend darüber berichten.[18] Die Voraussetzungen für einen Ansatz gem. Art. 12 Nr. 2 SII-DVO wären erfüllt, wenn der immaterielle Vermögenswert zum einen separat verkauft werden kann und zum anderen ein Nachweis möglich ist, dass identische oder ähnliche Vermögenswerte einen Wert haben, der aus an aktiven Märkten notierten Marktpreisen abgeleitet wurde. Möglicherweise vorhandene Geschäfts- oder Firmenwerte dürfen nicht angesetzt werden.

Ein großes Prüfungsgebiet liegt im Bereich der Kapitalanlagen. Obwohl in Deutschland lediglich das S.02 QRT, also die Solvabilitätsübersicht, prüfungspflichtig ist, kann für die Prüfung der Kapitalanlagen das S.06.02 QRT hinzugezogen werden. In der sogenannten „List of Assets“ sind sämtliche Kapitalanlagen inkl. verschiedenster Informationen, wie dem Solvency-II-Wert je Asset, enthalten. Kapitalanlagen werden grundsätzlich mit dem Marktwert unter Berücksichtigung der Art. 9, 10, 13 und 16 der SII-DVO angesetzt. Viele Versicherungsunternehmen bewerten die Kapitalanlagen bereits im Abschluss nach IFRS bzw. im Anhang des Jahresabschlusses nach HGB zu Marktwerten. Folglich kann das Unternehmen die ermittelten beizulegenden Zeitwerte für die Aufstellung der Solvabilitätsübersicht nutzen. Somit kann bei dieser Prüfung auf die bereits geprüften Werte aus der HGB bzw. IFRS-Prüfung zurückgegriffen werden.

Bei der Prüfung muss dementsprechend vor allem auf die Abweichungen in der Solvency-II-Regulatorik geachtet werden. Insbesondere die Bewertung von Anteilen an verbundenen Unternehmen und Beteiligungen weicht unter Solvency II ab und bedarf daher besonderer Prüfungshandlungen. Grundsätzlich erfolgt die Bewertung von Tochterunternehmen und Beteiligungen gem. Art. 13 SII-DVO. Der Prüfer muss daher beurteilen, ob die Solvency-II Bewertungshierarchie eingehalten und die richtige Bewertungsmethode angewendet wurde.

Zu beachten ist zudem, dass für zinstragende Finanzinstrumente der „Dirty value“, d. h. der Wert inkl. der anteiligen abzugrenzenden Zinsen am Bewertungsstichtag, anzusetzen ist.

Forderungen müssen allgemein mit dem ökonomischen Wert gem. der in Art. 10 SII-DVO festgelegten Bewertungshierarchie bewertet werden. Grundsätzlich müsste der unter HGB bzw. IFRS angesetzte Wert diskontiert werden. Da die Forderungen jedoch oft nur eine kurzfristige Laufzeit aufweisen, wird häufig unter Anwendung des Proportionalitätsprinzips auf eine Abzinsung verzichtet. Der Prüfer kann folglich hinsichtlich der angesetzten Forderungen auf die HGB bzw. IFRS-Prüfung zurückgreifen. Bei Verzicht auf eine Diskontierung muss überprüft werden, ob die fehlende Diskontierung tatsächlich unwesentlich im Rahmen des Wesentlichkeitskonzepts für das jeweilige Versicherungsunternehmen ist.

Passiva

Die folgende Abbildung zeigt vereinfacht die Verbindlichkeiten in der Solvabilitätsübersicht entsprechend dem Meldebogen (Quantitative Reporting Template, QRT S.02.01.01).[19]

Auf der Passivseite eines Versicherungsunternehmens dominieren die versicherungstechnischen Rückstellungen. Dementsprechend bildet auch deren Prüfung einen sog. Prüfungsschwerpunkt. Die Bewertung der Rückstellung erfolgt abweichend von der Bewertung nach handelsrechtlichen oder IFRS-Vorschriften.[20] Solvency II schreibt für die Bewertung ein spezielles Bewertungskonzept vor, nach dem sich die Rückstellung aus einem Besten Schätzwert zuzüglich einer Risikomarge ergibt. Insbesondere die hohe Subjektivität hinsichtlich der Schätzungen sowie die neuen Bewertungsmethoden stellten bei der Einführung von Solvency II eine Herausforderung für das Versicherungsunternehmen und die Prüfung dar. Sowohl das Versicherungsunternehmen als auch der Prüfer greifen daher auf die Expertise von Aktuaren zurück.

Der Prüfer muss zunächst feststellen, ob die Rückstellung gemäß § 76 Abs. 1 VAG getrennt nach Bestem Schätzwert und Risikomarge bewertet wird. Anschließend beurteilt er die zur Berechnung genutzten Modelle, wobei die Rückstellungen der einzelnen Sparten gesondert betrachtet werden. Durch analytische Prüfungshandlungen sowie Sensitivitätsanalysen beschäftigt sich der Prüfer verstärkt mit dem Modell, um zu beurteilen, ob die enthaltenen Annahmen angemessen und folglich die aufsichtsrechtlich geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Beispielsweise muss der Prüfer das mögliche Verhalten der Versicherungsnehmer betrachten und prüfen, ob die Wahrscheinlichkeiten zur Ausübung der vertraglichen Optionen angemessen festgesetzt wurden.[21] Im Prüfungsbericht wird unter anderem die Methodik der Berechnung einschließlich der genutzten Systeme erläutert. Zudem wird auch die Nutzung der risikofreien Zinskurve geprüft. Abschließend fasst der Prüfer zusammen, ob die gewählten Annahmen zur Berechnung des Besten Schätzwertes gemäß § 77 Abs. 2 VAG angemessen festgelegt und dokumentiert sind. Ferner wird beurteilt, ob die Risikomarge gemäß der aufsichtsrechtlichen Vorschriften berechnet wird. Dafür beurteilen die vom Prüfer eingesetzten Aktuare das Verfahren zur Berechnung der Risikomarge und berichten über dieses.[22] Abhängig vom Versicherungsunternehmen kann die Risikomarge mit der Solvency II Standardformel mit oder ohne Verwendung unternehmensspezifischer Parameter oder mittels eines (partiellen) internen Modells ermittelt werden. Darüber hinaus wird ebenfalls die Validierung der Risikomarge beurteilt und geprüft, ob diese in Einklang mit dem Art. 264 SII-DVO steht.

Ein weiterer verpflichtend zu prüfender und im Prüfungsbericht zu erwähnender Posten sind die Eventualverbindlichkeiten. Während diese nach HGB und IFRS nicht passiviert werden, fließen sie in die Solvabilitätsübersicht jedoch ein. Der Prüfer muss diese auf Vollständigkeit prüfen und sich im Rahmen dessen von der Angemessenheit der Wesentlichkeitseinschätzung überzeugen, da insbesondere bei diesem Posten Ermessensspielräume vorhanden sind.[23] Bei Ansatz wesentlicher Eventualverbindlichkeiten muss zum einen die Angemessenheit im Hinblick auf Höhe und Zeitpunkte der aus der Verbindlichkeit resultierenden Zahlungen bewertet werden. Zum anderen beurteilt der Prüfer, ob gewählte Ansätze konstant angewandt werden (Ansatzstetigkeit). Im Prüfungsbericht wird u.a. über den Prozess zur Ermittlung der Eventualverbindlichkeiten berichtet.

Der Ansatz und die Bewertung der latenten Steuern erfolgen nach Art. 15 SII-DVO. Der Prüfer beurteilt die gewählten Ansatz- und Bewertungsgrundsätze sowie den latenten Steuersatz auf Angemessenheit und prüft im Falle eines Netto-Steueranspruchs durch Nachweise vom Unternehmen dessen Werthaltigkeit.[24] Anschließend ist im Prüfungsbericht über das Verfahren zur Ermittlung der latenten Steuern sowie über das Ergebnis der Angemessenheitsprüfung zu berichten.[25]

2.3  Prüfung der Datenqualität

Art. 19 der SII-DVO definiert Anforderungen an die Qualität der zur Erstellung der Solvabilitätsübersicht genutzten Daten. Demzufolge müssen Versicherungsunternehmen die Vollständigkeit, Exaktheit und Angemessenheit der verwendeten Daten zur Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellung gewährleisten.[26]

Zur Sicherstellung der Datenqualität im Hinblick auf Integrität, Authentizität und Verfügbarkeit sollte das Unternehmen ein System für sämtliche relevanten Daten etabliert haben.[27] Als Grundlage sollten Leitlinien existieren, in denen die Datenqualitätsdimensionen (Vollständigkeit, Exaktheit und Angemessenheit) sowie Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten definiert werden.[28] Auf Basis dieser Leitlinien sollten die Daten bewertet und bei unzureichender Datenqualität entsprechend bereinigt werden.

Um die Integrität, Authentizität und Verfügbarkeit der relevanten Daten zu gewährleisten, ist es notwendig einen Datenqualitätsmanagementprozess zu definieren, der sämtliche Schritte von der Definition, Aktualisierung und Bewertung der Daten über den Umgang mit Datendefiziten bis hin zur Berichterstattung umfasst.[29]

Die implementierten organisatorischen, personellen und technischen Vorkehrungen werden durch den Prüfer hinsichtlich ihrer Angemessenheit und Wirksamkeit beurteilt. Als Ausgangspunkt für die Aufbauprüfung dient die vom Unternehmen erstellte Dokumentation, die hinsichtlich ihrer Angemessenheit durch den Prüfer beurteilt wird. Weiterhin werden die im Rahmen des internen Kontrollsystems etablierten Datenqualitätskontrollen zur Sicherstellung von geeigneten Daten durch den Prüfer getestet. Da die Daten als Inputfaktor wesentlich für den Erstellungsprozess sind, wird darüber gesondert im abschließenden Prüfungsbericht berichtet.[30]

2.4  Prüfungsbericht und Prüfungsvermerk

Gemäß § 35 Abs. 2 VAG muss der Wirtschaftsprüfer gesondert über die Prüfung der Solva- bilitätsübersicht berichten. In einem separaten Prüfungsbericht wird die Prüfung zusammengefasst und beurteilt, ob die aufsichtsrechtlichen Anforderungen bei der Aufstellung der Solvabilitätsübersicht eingehalten wurden.[31]

Für den Umfang des Berichts gibt es keine pauschale Vorgabe. Vielmehr ist er abhängig von der Bedeutung, vom Risikogehalt der dargestellten Vorgänge sowie von der Größe des Unternehmens.[32] Wichtig ist lediglich, dass sämtliche Beurteilungen auch für Dritte nachvollziehbar begründet werden. Im Rahmen der Berichterstattung muss ebenfalls über den aktuellen Umsetzungsstand der festgestellten Mängel aus der Vorjahresprüfung berichtet werden.[33]

Grundsätzlich ist es notwendig, die geprüfte Solvabilitätsübersicht als Prüfungsgegenstand in den Bericht aufzunehmen.[34] Neben Erläuterungen zu den einzelnen Positionen muss auch auf die Art und den Umfang der Prüfung einschließlich der Prüfungsmethoden eingegangen werden. Zudem muss der Bericht abschließend einen Prüfungsvermerk enthalten.[35]

3. Prüfung auf Gruppenebene

§ 35 Abs. 2 VAG verlangt eine Prüfung sowohl auf Einzel- als auch auf Gruppenebene. Was unter „Gruppe“ zu verstehen ist, wird in Art. 212 Abs. 1 c) der Solvency-II-Richtlinie definiert. Dementsprechend bezeichnet „Gruppe“ eine Gruppe von Unternehmen, die aus einem beteiligten Unternehmen, dessen Tochterunternehmen und den Unternehmen, an denen das beteiligte Unternehmen oder dessen Tochterunternehmen eine Beteiligung halten, sowie Unternehmen, die untereinander durch eine in Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie 83/349/EWG beschriebene Beziehung verbunden sind, besteht. Als Mutterunternehmen gilt das Unternehmen, das die zentrale Koordination ausübt.

Aus Prüfungssicht ist für die Prüfung auf Gruppenebene insbesondere der aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis gem. Art. 35 SII-DVO von Relevanz, der unter Umständen vom HGB bzw. IFRS Konsolidierungskreis abweichen kann. Grundsätzlich werden die Unternehmen der Gruppe in vier Kategorien unterteilt:

  • Kerngruppe,
  • Teilgruppe der nicht-kontrollierten Einheiten (non-controlled participations = NCP),
  • Teilgruppe der Finanzunternehmen anderer Sektoren (other financial sectors = OFS) und
  • sonstige verbundene Unternehmen (Auffangkategorie).

Der Großteil der Prüfung auf Gruppenebene besteht in der Prüfung der Konsolidierungen entsprechend dem Konsolidierungskreis, d. h. es muss geprüft werden, ob die gruppeninternen Transaktionen nach Art. 335 Abs. 3 SII-DVO bereinigt wurden. Hierunter fällt einerseits die Kapitalkonsolidierung und andererseits die Schuldenkonsolidierung.

Auch auf Gruppenebene muss im Anschluss an die Prüfung ein gesonderter Bericht erstellt werden.

4. Zusammenfassung

In Anlehnung an die Jahresabschlussprüfung erfolgt auch die Prüfung der Solvabilitätsübersicht nach dem risikoorientierten Ansatz.

Das der Erstellung der Solvabilitätsübersicht zugrunde liegende interne Kontrollsystem wird auf Angemessenheit sowie Wirksamkeit geprüft. Darauf aufbauend werden aussagebezogene Prüfungshandlungen geplant.

Bei den verschiedenen Vermögenswerten sowie Verbindlichkeiten wird geprüft, ob die aufsichtsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften bei der Erstellung eingehalten wurden. Die Prüfung der versicherungstechnischen Rückstellung bildet entsprechend den anspruchsvollsten Prüfungsteil.

Die für die Erstellung der Solvabilitätsübersicht genutzten Daten müssen zur Sicherstellung der Richtigkeit gewisse Qualitätsanforderungen erfüllen. Folglich ist es eine Aufgabe des Prüfers zu kontrollieren, ob ein System zur Erfüllung der Merkmale Vollständigkeit, Exaktheit und Angemessenheit implementiert wurde.

Im abschließenden Prüfungsbericht wird die Prüfung zusammengefasst. Dabei geht der Prüfer auch auf festgestellte Mängel ein, die bis zur nächsten Prüfung durch das Unternehmen beseitigt werden sollen. Der Prüfungsbericht schließt mit einen Bestätigungsvermerk als Prüfungsurteil.

 

 

Literaturverzeichnis

Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L12 vom 17. Januar 2015 inkl. ihrer Änderungsverordnungen.

Durchführungsverordnung (EU) 2015/2450 der Kommission vom 2. Dezember 2015 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der Meldebögen für die Übermittlung von Informationen an die Aufsichtsbehörde gemäß der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

Ellenbürger, Dr. Frank / Pfaffenzeller, Dr. Frank / Hammers, Dr. Bettina (2015): Umsetzung von Solvency II im Versicherungsaufsichtsgesetz – Paradigmenwechsel mit Auswirkungen auf die Abschlussprüfung, in: WPg Die Wirtschaftsprüfung, Heft 17, S. 886-897.

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) (Hrsg.) (2017): IDW Prüfungsstandard: Prüfung der Solvabilitätsübersicht nach § 35 Abs. 2 VAG (IDW PS 580), Stand: 08.11.2017.

Verordnung über den Inhalt der Prüfungsberichte zu den Jahresabschlüssen und den Solvabilitätsübersichten von Versicherungsunternehmen (Prüfungsberichteverordnung - PrüfV) vom 19. Juli 2017.

Wiedemann, Marcel / Hehmeyer, Simone / Klem, Martin (2015): Die Prüfung der Scha- denrückstellung von Schaden-/Unfallversicherern nach IFRS 4 (Entwurf ED/2013/7) und Solvency II, Teil 1: Grundlagen und Prüfung des Internen Kontrollsystems, in: IRZ Zeitschrift für internationale Rechnungslegung, Heft 7/8, S. 313-317; Teil 2: Aspekte aussagebezogener Prüfungshandlungen mit dem Schwerpunkt analytischer Prüfungshandlungen, Heft 9, S. 363-367.

 

Endnoten

[1] Vgl. IDW PS 580, Tz. 2.

[2] Vgl. IDW PS 580, Tz. 10 i.V.m. Ellenbürger et al. 2015, S. 897.

[3] Vgl. IDW PS 580, Tz. 17.

[4] Vgl. Wiedemann et al. 2015, S. 315.

[5] Vgl. IDW PS 580, Tz. 13.

[6] Vgl. Wiedemann et al. 2015, S. 316.

[7] Vgl. IDW PS 580, Tz. 17.

[8] Vgl. IDW PS 580, Tz. 19.

[9] Vgl. Wiedemann et al. 2015, S. 316.

[10] Vgl. Wiedemann et al. 2015, S. 316 f.

[11] Vgl. Artikel 9, Nr. 1, 2 u. 4 SII-DVO.

[12] Vgl. § 8 PrüfV.

[13] Vgl. IDW PS 580, Tz. 27-28.

[14] Vgl. IDW PS 580, Tz. 40.

[15] Vgl. § 12, 13 u. 18 ff.PrüfV.

[16] Vgl. § 15 PrüfV.

[17] In Anlehnung an Durchführungsverordnung (EU) 2015/2450, Anhang I.

[18] Vgl. IDW PS 580, Tz. 26.

[19] In Anlehnung an Durchführungsverordnung (EU) 2015/2450, Anhang I.

[20] Vgl. Ellenbürger et al. 2015, S. 897 i.V.m. IDW PS 580, Tz. 26.

[21] Vgl. IDW PS 580, Tz. 47.

[22] Vgl. § 19 f. PrüfV.

[23] Vgl. IDW PS 580, Tz. 59-61.

[24] Vgl. IDW PS 580, Tz. 56-58.

[25] Vgl. § 13 Abs. 1 PrüfV.

[26] Vgl. Artikel 19 SII-DVO.

[27] Vgl. IDW PS 580, Tz. A23 i.V.m. § 7 Abs. 1 PrüfV.

[28] Vgl. IDW PS 580, Tz. A23.

[29] Vgl. IDW PS 580, Tz. 24 i.V.m. Tz. A24.

[30] Vgl. § 7 PrüfV.

[31] Vgl. § 5 Abs. 2 PrüfV.

[32] Vgl. § 2 Abs. 1 PrüfV.

[33] Vgl. § 2 Abs. 3 PrüfV.

[34] Vgl. § 5 PrüfV.

[35] Vgl. IDW PS 580, Tz. 68.