Das Stornorisiko einer Krankenversicherung bildet den Verlust oder eine nachteilige Veränderung der Versicherungsverbindlichkeiten ab, die sich aus Veränderungen in der Höhe oder der Volatilität der Quoten hinsichtlich Storno und Optionsausübung des Versicherungsnehmers (z.B. Kündigungen vor Ablauf der vereinbarten Versicherungsdauer, Vertragsverlängerung oder Rückkauf) ergeben. Das Stornorisiko ist also unternehmensindividuell – abhängig von der Produktgestaltung, der Vertragslaufzeit, Vertriebswege etc.
Unter der Standardformel ist für das Untermodul Stornorisiko der Maximalwert der Kapitalanforderungen der folgenden drei Stressszenarien zu verwenden:
a. anhaltender Anstieg der Stornoquoten
Ein dauerhafter Anstieg des Stornostresses und/oder ein sofortiger Massenstorno-stress ist auf Versicherungsverträge anzuwenden, bei denen ein Storno zu einem Verlust für das Versicherungsunternehmen führt. Die Anwendung eines dauerhaften Anstiegs der Optionsausübungsquote um 50% (max. 100%) gilt nur für solche Optionsausübungen, die zu einem Anstieg der versicherungstechnischen Rückstellungen ohne Risikomarge führen.
b. anhaltender Rückgang der Stornoquoten
Ein dauerhafter Rückgang des Stornostresses ist auf solche Versicherungsverträge anzuwenden, bei denen geringere Stornierungen zu einer Erhöhung der erwarteten Versicherungsverpflichtungen führen würden. Der Stornorückgang entspricht dem Verlust, der sich aus einem dauerhaften Rückgang der Optionsausübungsquote um 50% ergibt; er darf nicht mehr als 20% betragen und gilt nur in den Fällen der Optionsausübung, die zu einem Rückgang der versicherungstechnischen Rückstellungen ohne Risikomarge führen.
c. Massenstorno
Das Massenstorno erfasst den Verlust, der sich aus einer Kombination folgenden Optionsausübungen ergibt:
- Kündigungen von Versicherungspolicen in Höhe von 70%, bei denen eine Vertragsbeendigung zu einem Anstieg der versicherungstechnischen Rückstellungen ohne Risikomarge führt und bei denen die Zahl der Anspruchsberechtigten nicht 20% übersteigt.
- Kündigungen von Versicherungspolicen um 40%, bei denen eine Beendigung des Versicherungsvertrags zu einem Anstieg der versicherungstechnischen Rückstellungen führt.
Das Massenstornorisiko einer Krankenversicherung unterscheidet beim Verhalten des Versicherungsnehmers nicht zwischen Publikumsgeschäft und Nicht-Publikumsgeschäft.
Die Kapitalanforderung für das Stornorisiko der Krankenversicherung wird in gleicher Weise berechnet wie die Kapitalanforderung für das lebensversicherungstechnische Stornorisiko – sowohl im Szenario-basierten Ansatz als auch bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens. Weitere Details finden sich in den Artikeln zum Stornorisiko (Leben) und dem versicherungstechnischen Risiko Kranken nach Art der Leben.
Vereinfachtes Verfahren
Eine vereinfachte Berechnung der Kapitalanforderung für eine dauerhafte Veränderung der Stornoquoten lässt sich gemäß Artikel 88 der delegierten Verordnung mit folgender Fallunterscheidung berechnen:
a. Bei dauerhaften Anstieg der Stornoquoten
Hier bedeuten
- lup durchschnittliche Stornoquote der Verträge, die eine positive Differenz zwischen dem Rückkaufswert und den Rückstellungen aufweisen oder 83%, wenn die Differenz kleiner ist
- nup durchschnittliche jährliche Duration, über den der Vertrag mit einer positiven Differenz zwischen dem Rückkaufswert und den Rückstellungen abgewickelt wird
- Sup Summe aller positiven Differenzen zwischen dem Rückkaufwert und den Rückstellungen.
b. Bei dauerhaftem Rückgang der Stornoquoten
Die Abkürzungen stehen dabei für folgendes:
- ldown durchschnittliche Stornoquote der Verträge, die eine negative Differenz zwischen dem Rückkaufswert und den Rückstellungen aufweisen
- ndown durchschnittliche jährliche Duration, über den der Vertrag mit einer negativen Differenz zwischen dem Rückkaufswert und den Rückstellungen abgewickelt wird
- Sdown Summe aller negativen Differenzen zwischen dem Rückkaufwert und den Rückstellungen.
Die Differenz zwischen Rückkaufwert und Rückstellungen bei Stornoanstieg und Stornorückgang entspricht der Differenz zwischen dem bei Vertragsbeendigung seitens des Versicherungsnehmers durch den Versicherer gegenwärtig zu zahlenden Betrag und dem Betrag der versicherungstechnischen Rückstellungen ohne Risikomarge.
Hintergrundinformationen
Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:
- RICHTLINIE 2009/138/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES, Neufassung 02009L0138 — DE — 13.01.2019 — 009.001 — 5
- Zugrundeliegende Annahmen der Standardformel für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR), The underlying assumptions in the standard formula for the Solvency Capital Requirement calculation, EIOPA-14-322, 25. Juli 2014, eiopa.europa.eu
- Amtsblatt der Europäischen Union, Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)
- Delegierte Verordnung (EU)…/… Der Kommission vom 8.3.2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-und der Rückversicherungstätigkeit (SolvabilitätII)
- Technical Specification for the Preparatory Phase (Part I), EIOPA-14/209, 30 April 2014
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