Basissolvabilitätskapitalanforderung (BSCR)

Die Begrifflichkeit Basissolvabilitätskapitalanforderung (BSCR: Basic solvency capital requirement) wurde erstmals im Rahmen der Richtlinie 2009/138/EG vom 25. November 2009 zu Solvency II eingeführt. Bei der Berechnungsstruktur der Solvabilitätskapitalanforderung (SCR: Solvency capital requirement) stellt die Basissolvenzkapitalanforderung zusammen mit den Kapitalanforderungen für das operationelle Risiko sowie den Anpassungen für risikomindernde Effekte der versicherungstechnischen Rückstellungen und latenter Steuern die eingehenden Summanden dar.

Die Kapitalanforderung für die Basissolvabilität entspricht der Solvabilitätskapitalanforderung vor jeglichen Anpassungen. Sie ergibt sich aus dem diversifizierten BSCR und dem Kapitalbedarf für immaterielle Risiken. Das diversifizierte BSCR bestimmt sich durch Aggregation mit einer vorgegebenen Korrelationsmatrix (s. unten). Wenn in einer Versicherung keine immateriellen Vermögenswerte vorhanden sind, besteht auch kein Kapitalbedarf für die immateriellen Risiken.

Gemäß § 100 VAG ist die Basissolvenzkapitalanforderung (BSCR) eine Aggregation der Kapitalanforderungen der Risikomodule, die eine Diversifizierung zwischen den folgenden sechs Risiken ermöglichen:

  1. Marktrisiko
  2. Gegenparteiausfallrisiko (Risiko, das die Verluste durch Ausfall bzw. Minderung der Bonität von Gegenparteien aufweist).
  3. Versicherungstechnisches Risiko Leben
  4. Versicherungstechnisches Risiko Kranken
  5. Versicherungstechnisches Risiko Nichtleben
  6. Mit immateriellen Vermögenswerten verbundenes Risiko
Basissolvabilitätskapitalanforderung (BSCR)
Abbildung 1: Basissolvabilitätskapitalanforderung (BSCR)

Das Markrisiko gilt als bedeutendster Teilfaktor der Solvabilitätskapitalanforderung. Es beschreibt die Schwankung der Marktwerte von Kapitalanlagen und Verbindlichkeiten und gliedert sich in folgende Teilrisiken:

  1. Spreadrisiko (für Anleihen und Kredite, Verbriefungen und Kreditderivate das Risiko gegenüber marktüblichem risikoarmen Zinssatz)
  2. Zinsrisiko (alle Aktiva und Passiva, die sensitiv auf Veränderungen der Zinsstrukturkurve reagieren)
  3. Aktienrisiko (Risiken aus der Volatilität der Aktienkurse für alle diesbezüglichen Aktiva und Passiva)
  4. Immobilienrisiko
  5. Währungsrisiko (bzgl. Aktiva und Passiva in Fremdwährung)
  6. Marktrisikokonzentration (Risiken, die durch mangelnde Diversifikation von Kapitalanlagen entstehen - bei höherer Volatilität sowie gestiegenem Risiko bzgl. eines Emittenten in einem Kapitalanlageportfolio mit geringer Diversifizierung).

Kompliziert machen die Berechnung Diversifizierungseffekte zwischen den Risikomodulen, die sich teilweise gegenseitig aufheben, so dass die Zusammenhänge komplizierter sind als eine Summe dieser Teilfanforderungen. Wie bei der Berechnung der Solvabilitätskapitalanforderung, bei der die Anpassungen für die Verlustausgleichsfähigkeit der versicherungstechnischen Rückstellungen aufgrund latenter Steuern vorgenommen werden, ist auch die effektive BSCR geringer als die Summe der Einzelrisiken. Die Standardformel für BSCR berücksichtigt dies durch die Korrelation zwischen den Komponenten und ermittelt die Basissolvabilitätskapitalanforderung (BSCR) eines Versicherungsunternehmens wie folgt:

BSCR = √( Σi,j Corri,j ⋅ SCRi ⋅ SCRj ) + SCRintangibles

Dabei bezeichnen

  • Corri,j die Koeffizienten der Korrelationsmatrix CorrSCR
  • SCRi und SCRj die Kapitalanforderungen der einzelnen Risiken gemäß Zeile i und Spalte j der Korrelationsmatrix CorrSCR
  • SCRintangibles die Kapitalanforderungen des Risikos, das mit immateriellen Vermögenswerten verbunden ist.

Die Korrelationsmatrix ist definiert als:

CorrSCR SCRMarkt SCRAusfall SCRLeben SCRKranken SCRNichtleben
SCRMarkt 1 0.25 0.25 0.25 0.25
SCRAusfall 0.25 1 0.25 0.25 0.5
SCRLeben 0.25 0.25 1 0.25 0
SCRKranken 0.25 0.25 0.25 1 0
SCRNichtleben 0.25 0.5 0 0 1

Die EU-Richtlinie unterscheidet neben dem BSCR-Ansatz drei Risikomodule: das nichtlebensversicherungstechnische Risikomodul, das lebensversicherungstechnische Risikomodul und das Risikomodul Marktrisiken. Diese unterscheiden sich durch die Teilsegmente, die in die Korrelationsmatrix wie folgt eingehen:

Formel Risikomodul Berücksichtigte Untermodule
SCRMarkt Marktrisiko  
SCRAusfall Gegenparteiausfallrisiko Risiko, das die Verluste durch Ausfall bzw. Minderung der Bonität von Gegenparteien aufweist.
SCRLeben Versicherungstechnisches Risiko für Lebensversicherer Sterberisiko, Langlebigkeitsrisiko, Invaliditätsrisiko, Stornorisiken, Kostenrisiko, Revisionsrisiko, Katastrophenrisiko
SCRKranken Versicherungstechnisches Risiko für Krankenversicherer Biometrische Risiken (Sterberisiko, Langlebigkeitsrisiko, Invaliditätsrisiko), Prämien- und Reserverisiko, Stornorisiko, Änderungsrisiko, Schwankungsrisiko, Kostenrisiko, Revisionsrisiko, Katastrophenrisiko (z. B. Massenunfall, Pandemie)
SCRNichtleben Versicherungstechnisches Risiko für Nichtlebensversicherer Prämienrisiko (Unsicherheiten durch nicht ausreichend tarifierte Prämien) und Rückstellungsrisiko (Unsicherheiten in der Abwicklung bereits eingetretener Schäden); Stornorisiko (z.B. Risiken durch mögliche Unterbrechung oder Beendigung von Versicherungsverträgen); Nichtlebenskatastrophenrisiko (bedingt durch die Natur o. Mensch)

Neben der Standardformel gibt es auch andere Zugänge, wie Simulationen (Campbell 2012). Üblicherweise werden die oben genannten Risikomodule unter Verwendung des Risikomaßes Value-at-Risk mit einem Konfidenzniveau von 99,5% über einen Zeitraum eines Jahres kalibriert.

Hintergrundinformationen

Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:

  1. RICHTLINIE 2009/138/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES, Neufassung 02009L0138 — DE — 13.01.2019 — 009.001 — 5
  2. Zugrundeliegende Annahmen der Standardformel für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR), The underlying assumptions in the standard formula for the Solvency Capital Requirement calculation, EIOPA-14-322, 25. Juli 2014, eiopa.europa.eu
  3. Amtsblatt der Europäischen Union, Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)
  4. Technical Specification for the Preparatory Phase (Part I), EIOPA-14/209, 30 April 2014
  5. Parlament, E., & Rat, E. (2009). „Richtlinie 2009/138/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-und Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)“. Amtsblatt der Europäischen Union L, 335(1).
  6. Campbell, M. P. (2012). A tale of two formulas: Solvency II SCR and RBC. Society of Actuaries, The Financial Reporter, 91(4), 10-13.

Alle Aussagen in dem Artikel sind vorbehaltlich etwaiger Verständnis- und Übersetzungsfehlern.