Das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko einer Krankenversicherung ermittelt sich aus dem Verlust an Basiseigenmitteln, der sich aus der unmittelbar anhaltenden Veränderungen in der Höhe, im Trend oder bei der Volatilität der Invaliditäts-, Krankheits- und Morbiditätsraten ergibt. Dieses Modul findet Anwendung, sofern es in Lebensversicherungsverträgen, Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsversicherungsrisiken mit enthalten sind.
Die Stressfaktoren des Invaliditäts-/Morbiditätsrisikos beschreiben, dass mehr Versicherungsnehmer als erwartet während der Vertragslaufzeit an einer bestimmten Krankheit erkranken oder invalide werden (Eintrittsraten) und dass sich der Schweregrad von Invalidität oder Krankheit nachteilig ändert (Reaktivierungsrate), d.h. die Genesungszeit invalider Versicherungsnehmer länger als erwartet andauert.
Szenariobasierter Ansatz
Die Kapitalanforderung für dieses Risikomodul wird szenariobasiert auf der Grundlage der Solvency II-Bilanz erstellt. Folgende Annahmen an die Szenarien werden gemäß der delegierten Verordnung im Standardmodell beim Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Krankenversicherung in den Submodulen bzgl. Krankenkostenversicherung und Einkommensersatzversicherung getroffen:
1) Annahmen bei Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Krankenkostenversicherung
Das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Krankenkostenversicherung unterscheidet zwischen Anpassungen aus dem Trend der Krankenversicherungsleistungen (Inflationsrisiko), der Höhe der Krankenversicherungsleistungen (Schätzrisiko) und Höhe der Leistungen, die nicht als Schätzrisiko zu bewerten sind (wie z.B. Zufallsfehler, Modellrisiko). Die Analyse der beiden wie folgt Szenarien definiert liefert die Kapitalanforderung für das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Krankenkostenversicherung:
Gemäß der delegierten Verordnung wird im Standardmodell bei Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Krankenkostenversicherung ein anhaltender Anstieg (shock up) bzw. Rückgang (shock down) der Krankheitskosten um 5% sowie ein dauerhafter Anstieg bzw. Rückgang der Inflationsrate für medizinische Ausgaben um 1% angenommen. Die Verringerung der Basiseigenmittel in dem jeweiligen Szenario wird durch den Ausdruck ΔNAV dargestellt.
2) Annahmen bei Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Einkommensersatzversicherung
Gemäß der delegierten Verordnung wird im Standardmodell bei Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Einkommensersatzversicherung ein anhaltender Anstieg der Eintrittsraten, die bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen berücksichtigt werden, um 35% im ersten Jahr bzw. 25% in allen Folgejahren angenommen. Bei den Reaktivierungsraten des Invaliditäts-/Morbiditätsrisikos wird ein Rückgang um 20% angenommen, wenn die bei Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen zu berücksichtigenden Raten gleich oder kleiner als 50% ausfallen.
Vereinfachtes Verfahren
Sofern die Berechnung der Kapitalanforderung für das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko einer Krankenversicherung eine unangemessene Benachteiligung für das Versicherungsunternehmen darstellt, kann eine vereinfachte Berechnung dieser unter der Prüfung der Angemessenheit bzgl. Art, Umfang sowie Komplexität des Risikos angewendet werden.
Eine vereinfachte Berechnung der Kapitalanforderung für das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Krankenversicherung lässt sich gemäß Artikel 88 der delegierten Verordnung in folgenden Szenarien berechnen:
1) Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Krankenkostenversicherung
Dabei gelten folgende Abkürzungen:
- MP der Betrag, der im vergangenem Jahr für die Versicherungsverpflichtungen bzgl. Krankenkosten gezahlt wurde
- n die jährliche modifizierte Duration von Zahlungen, die in die Berechnung des besten Schätzwertes (Best Estimate) einbezogen werden
- i Durchschnitt der Inflationsrate, der in die Berechnung des besten Schätzwertes (Best Estimate) der Verpflichtungen bzgl. Krankenkosten einbezogen werden (gewichtet mit dem Barwert der medizinischen Leistungen)
2) Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko der Einkommensersatzversicherung
wobei mit positivem Risikokapital gilt:
- CAR1 gesamtes Risikokapital als Differenz zwischen den gegenwärtigen Todesfallleistungen oder Leistungen bei Invalidität (nach Abzug der einforderbaren Beträge) und den erwarteten Barwert der zukünftigen Todesfallleistungen oder Leistungen bei Invalidität (nach Abzug der einforderbaren Beträge)
- CAR2 gesamtes Risikokapital im Sinne von CAR1 nach zwölf Monaten
- d1 erwartete durchschnittliche Invaliditäts-/Morbiditätsrate in den folgenden 12 Monaten (gewichtet mit der Versicherungssumme)
- d2 erwartete durchschnittliche Invaliditäts-/Morbiditätsrate in den 12 Monaten nach dem ersten Jahr (gewichtet mit der Versicherungssumme)
- n jährliche modifizierte Duration der Zahlungen bei Invaliditäts-/Morbidität, die in die Berechnung des besten Schätzwertes (Best Estimate) einbezogen werden
- t erwartete Beendigungsraten in den folgenden zwölf Monaten
- BEdis Bester Schätzwert der Verpflichtungen, der dem Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko unterliegt.
Weitere Ausführungen finden sich in dem übergreifenden Beitrag versicherungstechnisches Risiko Kranken nach Art der Leben.
Hintergrundinformationen
Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:
- RICHTLINIE 2009/138/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES, Neufassung 02009L0138 — DE — 13.01.2019 — 009.001 — 5
- Zugrundeliegende Annahmen der Standardformel für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR), The underlying assumptions in the standard formula for the Solvency Capital Requirement calculation, EIOPA-14-322, 25. Juli 2014, eiopa.europa.eu
- Amtsblatt der Europäischen Union, Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)
- Delegierte Verordnung (EU)…/… Der Kommission vom 8.3.2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-und der Rückversicherungstätigkeit (SolvabilitätII)
- Technical Specification for the Preparatory Phase (Part I), EIOPA-14/209, 30 April 2014
Alle Aussagen in dem Artikel sind vorbehaltlich etwaiger Verständnis- und Übersetzungsfehlern.