Versicherungstechnisches Risiko Leben: Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko

Dieses Modul findet Anwendung, sofern es in Lebensversicherungsverträgen Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsversicherungsrisiken mit enthalten sind. Demzufolge steht das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko unmittelbar im Zusammenhang mit dem Leben der versicherten Personen und beschreibt das Risiko eines Verlustes oder einer nachteiligen Veränderung des Werts der Versicherungsverbindlichkeiten, das aus Veränderungen der Ausscheideordnungen resultiert.

Das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko ergibt sich aus dem Verlust an Basiseigenmitteln, der sich aus der aus unmittelbar anhaltenden Veränderungen in der Höhe, im Trend oder bei der Volatilität der Invaliditäts-, Krankheits- und Morbiditätsraten ergibt. Die Stressfaktoren der Invaliditäts-/Morbiditätsrisiken beschreiben, dass mehr Versicherungsnehmer als erwartet während der Vertragslaufzeit an einer bestimmten Krankheit erkranken oder invalide werden (Eintrittsraten) und dass der Schweregrad von Invalidität oder Krankheit sich nachteilig ändert (Reaktivierungsrate), d.h. die Genesungszeit invalider Versicherungsnehmer länger als erwartet andauert. Die Leistungszahlungen erfordern abhängig von deren Wartezeiten ggf. eine einzelverträgliche Bewertung, so dass die Schockparameter reduziert oder voll angesetzt.

Gemäß der delegierten Verordnung wird im Standardmodell ein anhaltender Anstieg der Eintrittsraten, die bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen berücksichtigt werden, um 35% im ersten Jahr bzw. 25% in allen Folgejahren angenommen. Bei Invaliditäts-/ Morbiditäts-Reaktivierungsraten, die bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen berücksichtigt werden, wird ein Rückgang um 20% angesetzt.

Szenariobasierter Ansatz

Die Ermittlung der Kapitalanforderung für dieses Risikomodul basiert auf einem Ansatz, bei dem die Solvercy II- Bilanz für Stressszenarien und auch für den Best Estimate sowohl vor Schock als auch nach Schock neu berechnet wird. Der szenariobasierte Ansatz für das Langlebigkeitsrisiko berechnet dessen Kapitalanforderung als das Ergebnis eines wie folgt definierten Szenarios:

Ansatz für das Langlebigkeitsrisiko

Dabei gibt „disshock“ die Veränderungen an, bei denen die Leistungszahlen von dem Invaliditätsrisiko abhängen: Anstieg der Invaliditäts-/ Morbiditätsraten im ersten Jahr um 35% und um 25% in den Folgejahren sowie ein Rückgang der Reaktivierungsraten um 20% in jedem Jahr. Die Veränderung der Basiseigenmittel ohne die Veränderung der Risikomarge ist gegeben durch ΔNAV.

Weitere Ausführungen zu dem szenariobasierten Ansatz finden sich in dem übergreifenden Beitrag versicherungstechnisches Risiko Leben.

Vereinfachtes Verfahren

Sofern die Berechnung der Kapitalanforderung für das Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko einer Lebensversicherung eine unangemessene Benachteiligung für das Versicherungsunternehmen darstellt, kann eine vereinfachte Berechnung dieser unter der Prüfung der Angemessenheit bzgl. Art, Umfang sowie Komplexität des Risikos angewendet werden.

Die Formel einer vereinfachten Berechnung der Kapitalanforderung für das Invaliditäts- und Morbiditätsrisiko lautet gemäß Artikel 88 der delegierten Verordnung wie folgt:

vereinfachten Berechnung der Kapitalanforderung für das Invaliditäts- und Morbiditätsrisiko

Dabei gilt mit positivem Risikokapital folgendes:

  • CAR1 gesamte Risikokapital als Differenz zwischen den gegenwärtigen Todesfallleistungen (nach Abzug der einforderbaren Beträgen) und den erwarteten Barwert der zukünftigen Todesfallleistungen oder bei sofortiger Invalidität (nach Abzug der einforderbaren Beträgen)
  • CAR2 gesamtes Risikokapital im Sinne von CAR1 nach zwölf Monaten
  • d1 erwartete durchschnittliche Invaliditäts-/Morbiditätsrate in den folgenden 12 Monaten (gewichtet nach Versicherungssumme)
  • d2 Erwartete durchschnittliche Invaliditäts-/Morbiditätsrate in den 12 Monaten nach dem ersten Jahr (gewichtet nach Versicherungssumme)
  • n jährliche modifizierte Duration von Zahlungen, die in die Berechnung des besten Schätzwertes (Best Estimate) einbezogen werden
  • t erwartete Beendigungsraten in den folgenden zwölf Monaten
  • BEdis Bester Schätzwert der Verpflichtungen, der dem Invaliditäts-/Morbiditätsrisiko unterliegt.

Hintergrundinformationen

Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:

  1. RICHTLINIE 2009/138/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES, Neufassung 02009L0138 — DE — 13.01.2019 — 009.001 — 5
  2. Zugrundeliegende Annahmen der Standardformel für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR), The underlying assumptions in the standard formula for the Solvency Capital Requirement calculation, EIOPA-14-322, 25. Juli 2014, eiopa.europa.eu
  3. Amtsblatt der Europäischen Union, Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)
  4. Delegierte Verordnung (EU)…/… Der Kommission vom 8.3.2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-und der Rückversicherungstätigkeit (SolvabilitätII)
  5. Technical Specification for the Preparatory Phase (Part I), IEIOPA-14/209, 30 April 2014

Alle Aussagen in dem Artikel sind vorbehaltlich etwaiger Verständnis- und Übersetzungsfehlern.