Versicherungstechnisches Risiko Leben: Sterblichkeitsrisiko

Das Sterblichkeitsrisiko steht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Leben der versicherten Personen. Es beschreibt das Risiko eines Verlustes oder einer nachteiligen Veränderung des Werts der Versicherungsverbindlichkeiten, das sich aus Veränderungen in der Höhe, im Trend oder in der Volatilität der Ausscheideordnungen ergibt.

Das Sterblichkeitsrisiko ermittelt sich durch den Anstieg der Sterblichkeitsrate sowie der hieraus resultierenden Erhöhung des Werts der Versicherungsverbindlichkeiten. Kommt es zu Fehleinschätzungen und Veränderungen bzgl. der Sterblichkeitsraten, so beschreibt der Stressfaktor für das Sterblichkeitsrisiko die Ungewissheit bei den Sterblichkeitsparametern. Damit erfasst es das Risiko, dass mehr Versicherungsnehmer als erwartet während der Vertragslaufzeit sterben.

Gemäß der delegierten Verordnung wird im Standardmodell bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen ein dauerhafter Anstieg der Sterblichkeitsraten um 15% für jede Altersgruppe sowie für jeden von dem Sterblichkeitsrisiko abhängigen Vertrag angenommen. Dies betrifft ausschließlich Versicherungsverträge, die durch den Anstieg der Sterblichkeitsraten auch einen Anstieg der versicherungstechnischen Rückstellungen ohne Risikomarge bewirken.

Szenariobasierter Ansatz

Für das Sterblichkeitsrisiko erfolgt die Berechnung der Kapitalanforderung über die Solvency II Standardformel Szenario-basiert. Dabei bildet die ermittelte Solvenzbilanz die Ausgangsbasis. Das bedeutet, dass die Kapitalanforderung sich als Höhe des Verlustes an Basiseigenmitteln in der Solvenzbilanz errechnet, der in Folge eines bestimmten Schockszenarios unter Verwendung von Annahmen an das Stressszenario eintritt.

Der Szenario-basierte Ansatz für das Sterblichkeitsrisiko berechnet dessen Kapitalanforderung als das Ergebnis eines wie folgt definierten Szenarios:

Kapitalanforderung für das Sterblichkeitsrisiko

Dabei misst ΔNAV (NAV: Net Asset value) die Veränderung der Basiseigenmittel ohne die Veränderung der Risikomarge versicherungstechnischer Rückstellungen und mortshock den anhaltenden Anstieg der Sterblichkeitsraten um 15%, die bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen zugrunde gelegt wurden.

Für das Sterblichkeitsrisiko zu hinterlegende Risikokapital ergibt sich somit als Differenz der vorhandenen Eigenmittel NAV.

Differenz der vorhandenen Eigenmittel NAV

Eine weitere Beschreibung des szenariobasierten Ansatzes ist dem übergreifenden Beitrag versicherungstechnisches Risiko Leben zu entnehmen.

Vereinfachtes Verfahren

Sofern die Berechnung der Kapitalanforderung für das Sterblichkeitsrisiko einer Lebensversicherung eine unangemessene Benachteiligung für das Versicherungsunternehmen darstellt, kann eine vereinfachte Berechnung dieser unter der Prüfung der Angemessenheit bzgl. Art, Umfang sowie Komplexität des Risikos angewendet werden. Dabei sind die zugrundeliegenden Annahmen der Berechnung des Sterblichkeitsrisikos der Lebensversicherung, dass es keinen wesentlichen Rückgang der Risikokapitalsumme und keinen Anstieg der Sterblichkeitsraten in den kommenden n (Definition s. u.) Jahren gibt.

Zur Erfassung der Sterblichkeit in den zwölf Folgemonaten kann ein unerwarteter Anstieg der Sterblichkeitsraten um 0,15% angenommen werden.

Eine vereinfachte Berechnung der Kapitalanforderung für das Sterblichkeitsrisiko steht gemäß Artikel 91 der Änderung der delegierten Verordnung vom 8.3.2019 in folgender Form zur Verfügung:

vereinfachte Berechnung der Kapitalanforderung für das Sterblichkeitsrisiko

Dabei werden folgende Abkürzungen verwendet:

  • q durchschnittliche Sterblichkeitsrate in den folgenden 12 Monaten (gewichtet nach Versicherungssumme)
  • n jährliche modifizierte Duration der Todesfallleistungen, die in die Berechnung des besten Schätzwertes (Best Estimate) einbezogen werden
  • ik annualisierter Kassakurs für die Laufzeit k der relevanten risikolosen Basiszinsstrukturkurve
  • CARk gesamtes Risikokapital für die Laufzeit k, d.h. das Risikokapital von Versicherungsverträgen kann im Laufe der Zeit k schwanken.

Hintergrundinformationen

Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:

  1. RICHTLINIE 2009/138/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES, Neufassung 02009L0138 — DE — 13.01.2019 — 009.001 — 5
  2. Zugrundeliegende Annahmen der Standardformel für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR), The underlying assumptions in the standard formula for the Solvency Capital Requirement calculation, EIOPA-14-322, 25. Juli 2014, eiopa.europa.eu
  3. Amtsblatt der Europäischen Union, Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)
  4. Delegierte Verordnung (EU)…/… Der Kommission vom 8.3.2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-und der Rückversicherungstätigkeit (SolvabilitätII)
  5. Technical Specification for the Preparatory Phase (Part I), EIOPA-14/209, 30 April 2014

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