Versicherungstechnisches Risiko Leben: Langlebigkeitsrisiko

Das Langlebigkeitsrisiko einer Lebensversicherung steht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Leben der versicherten Person und beschreibt das Risiko eines Verlustes oder einer nachteiligen Veränderung des Werts der Versicherungsverbindlichkeiten, das sich aus den Ausscheideordnungen resultiert.

Das Langlebigkeitsrisiko ergibt sich durch den Rückgang der Sterblichkeitsrate sowie der hieraus resultierenden Erhöhung des Werts der Versicherungsverbindlichkeiten. Kommt es zu Fehleinschätzungen und Veränderungen in der Höhe, im Trend oder in der Volatilität der Sterblichkeitsraten, so beschreibt der Stressfaktor für das Langlebigkeitsrisiko die Ungewissheit bei den Sterblichkeitsparametern und erfasst damit das Risiko, dass die Lebenserwartung der Versicherungsnehmer während der Vertragslaufzeit sich verbessert.

Gemäß der delegierten Verordnung wird im Standardmodell bei der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen ein dauerhafter Rückgang der Sterblichkeitsraten um 20% angenommen. Dies betrifft ausschließlich Versicherungsverträge, die durch den Rückgang der Sterblichkeitsraten einen Anstieg der versicherungstechnischen Rückstellungen ohne Risikomarge bewirken.

Szenariobasierter Ansatz

Die Kapitalanforderung für das Langlebigkeitsrisiko wird szenariobasiert berechnet, indem die Solvency II-Bilanz für das Best Estimate und für das Stressszenario der Langlebigkeit neu ermittelt wird. Dabei wird bei der Berechnung vorausgesetzt, dass das Langlebigkeitsszenario den Wert der künftigen Überschussbeteiligung in den Rückstellungen nicht beeinflusst. Dafür verändert sich jedoch nach Schock die Höhe der Bilanzpositionen und somit die vorhandenen Eigenmittel (NAV: net asset value).

Der szenariobasierte Ansatz für das Langlebigkeitsrisiko berechnet dessen Kapitalanforderung als das Ergebnis eines wie folgt definierten Szenarios:

Berechnung der Kapitalanforderung für das Langlebigkeitsrisiko

Die Veränderung der Basiseigenmittel ohne die Veränderung der Risikomarge der versicherungstechnischen Rückstellungen wird durch zum Ausdruck gebracht und beschreibt den Rückgang der Sterblichkeitsraten um 20%, die der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen zugrunde liegen.

Das Risikokapital, das für das Langlebigkeitsrisiko zu hinterlegen ist, ergibt sich somit als Differenz der vorhandenen Eigenmittel.

Risikokapital für das Langlebigkeitsrisiko

Detailliertere Ausführungen zu dem szenariobasierten Ansatz finden sich in dem übergreifenden Beitrag versicherungstechnisches Risiko Leben.

Vereinfachtes Verfahren

Sofern die Berechnung der Kapitalanforderung für das Langlebigkeitsrisiko einer Lebensversicherung nach der Standardberechnung eine unangemessene Benachteiligung für das Versicherungsunternehmen darstellt, wird eine vereinfachte Berechnung unter der Prüfung der Angemessenheit bzgl. Art, Umfang sowie Komplexität des Risikos angewendet.

Die vereinfachte Berechnungsformel für die Kapitalanforderung für das Langlebigkeitsrisiko ist gemäß Artikel 88 der delegierten Verordnung in folgender Form festgelegt:

vereinfachte Berechnungsformel für die Kapitalanforderung für das Langlebigkeitsrisiko

Dabei werden folgende Abkürzungen verwendet:

  • q erwartete durchschnittliche Sterblichkeitsrate des Unternehmensportfolios in den folgenden 12 Monaten (gewichtet nach Versicherungssumme)
  • n jährliche modifizierte Duration der Zahlungen an Anspruchsberechtigte, die in die Berechnung des Best Estimate (BE) einbezogen werden
  • BElong Bester Schätzwert der dem Langlebigkeitsrisiko unterliegenden Verpflichtungen.

Hintergrundinformationen

Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:

  1. RICHTLINIE 2009/138/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES, Neufassung 02009L0138 — DE — 13.01.2019 — 009.001 — 5
  2. Zugrundeliegende Annahmen der Standardformel für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderung (SCR), The underlying assumptions in the standard formula for the Solvency Capital Requirement calculation, EIOPA-14-322, 25. Juli 2014, eiopa.europa.eu
  3. Amtsblatt der Europäischen Union, Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10.Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)
  4. Delegierte Verordnung (EU)…/… Der Kommission vom 8.3.2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs-und der Rückversicherungstätigkeit (SolvabilitätII)
  5. Technical Specification for the Preparatory Phase (Part I), EIOPA-14/209, 30 April 2014
    1. Alle Aussagen in dem Artikel sind vorbehaltlich etwaigen Verständnis- und Übersetzungsfehlern.