Risikomindernde Wirkung latenter Steuern

Die Standardformel zur Berechnung der Solvenzkapitalanforderung nach Solvency II berücksichtigt einen möglichen Ausgleich von unerwarteten Verlusten. Zum einen erfolgt dies durch eine gleichzeitige Reduzierung der versicherungstechnischen Rückstellungen (in Form einer Reduzierung der zukünftigen Überschussbeteiligung). Zum anderen wird ebenfalls die Verlustausgleichsfähigkeit durch latente Steuern – auch risikomindernde Wirkung latenter Steuern genannt – einbezogen.

Bestimmung der risikomindernden Wirkung latenter Steuern

Gemäß Art. 207 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 (DVO) bzw. § 108 VAG entspricht die risikomindernde Wirkung latente Steuern der Veränderung des Wertes der latenten Steuern, die aufgrund eines Verlustes entsteht. Dieser Verlust entspricht der Summe aus der Basissolvenzkapitalanforderung (BSCR), der Anpassung der Verlustausgleichsfähigkeit durch die versicherungstechnischen Rückstellungen und der Kapitalanforderung für das operationelle Risiko.

Der Wert der latenten Steuern soll hierbei gemäß Art. 15 DVO berechnet werden. Demnach erfolgt die Bewertung latenter Steuern anhand der Differenz aus dem Ansatz und Bewertung der Vermögenswerte sowie Verbindlichkeiten gemäß Art. 75 der Richtlinie 2009/138/EG (SII-RL) und dem Ansatz und der Bewertung der Vermögenswerte sowie Verbindlichkeiten zu Steuerzwecken. Dabei sollen nur Differenzen angesetzt werden, welche vorübergehender Natur sind (Leitlinie 10 EIOPA-BoS-14/177). Für dauerhafte Differenzen sind keine latenten Steuern anzusetzen. Wird eine temporäre Differenz festgestellt, die zukünftig zu steuerpflichtigen Gewinnen führen kann, so muss eine latente Steuerverbindlichkeit angesetzt werden. Verringert eine temporäre Differenz hingegen zukünftig steuerpflichtige Gewinne, so muss eine latente Steuerforderung angesetzt werden. Art. 15 Abs. 3 DVO schränkt bei Letzterem jedoch ein, dass ein Nachweis erbracht werden muss, dass wahrscheinlich ist, dass es künftig steuerpflichtige Gewinne geben wird, gegen die der latente Steueranspruch aufgerechnet werden kann. Ferner sollen Unternehmen die Berechnung in einer Detailtiefe vornehmen, die sämtliche wesentlichen und maßgeblichen Vorschriften aller geltenden Steuerregelungen widerspiegelt (Leitlinie 6 EIOPA-BoS-14/177).

Eine Erhöhung der aktiven latenten Steuern oder eine Verringerung der passiven latenten Steuern führt dabei zu einer negativen Risikominderung der latenten Steuern. Liegt eine positive Risikominderung vor, so sieht Art. 207 Abs. 4 DVO vor, dass der Anpassungsfaktor gleich null gesetzt werden soll.

Die Delegierte Verordnung (EU) 2019/981 der Kommission vom 8. März 2019 führte zu einigen Änderungen der SII-DVO. Unter anderem wurden bestimmte Annahmen zur Ermittlung der steuerpflichtigen Gewinne geregelt. So wird der abschlagsfreie Ansatz von Neugeschäft auf den Planungshorizont sowie maximal fünf Jahre beschränkt. Übersteigt der Prognosezeitraum diesen Planungshorizont, so sind angemessene Abschläge anzuwenden, wobei angenommen wird, dass sich die Abschläge erhöhen, je weiter die Gewinne in die Zukunft projiziert werden (Art. 207 Abs. 2c SII-DVO).

Hintergrundinformationen

Der vorliegende Beitrag basiert auf den folgenden Quellen:

  1. Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).
  2. Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (SII-RL).
  3. Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (SII-DVO).
  4. Delegierte Verordnung (EU) 2019/981 der Kommission vom 8. März 2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II).
  5. Leitlinien zur Verlustausgleichsfähigkeit der versicherungstechnischen Rückstellungen und latenten Steuern (EIOPA-BoS-14/177)

Alle Aussagen in dem Artikel sind vorbehaltlich etwaigen Verständnis- und Übersetzungsfehlern.