Ermittlung der Kapitalanforderungen für das Spreadrisiko

Abgrenzung und Definition

“Spread” ist hier als zero-Spread (Z-spread) zu verstehen, welcher die konstante „add-on“ Rate über eine risikofreie Zinskurve darstellt. Er ist somit die von Investoren verlangte Kompensation für das Tragen der Kreditrisiken des Emittenten. Spread kann jedoch auch anders definiert werden. Zum Beispiel kann er auch als Bond-Yield-Spread ausgelegt werden, der dem Betrag der Bond-Yield-Kurve entspricht, der die Renditekurve einer ansonsten gleichen Anleihe, mit bspw. gleichem Fälligkeitsdatum, konstant übersteigt. EIOPA verwendet diese Definition des Z-spread:

“Spread risk reflects the change in value of net assets due to a move in the yield on an asset relative to the risk-free term structure[1].”

An dieser Stelle weisen Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft darauf hin, dass das Kreditrisiko allein die Höhe des Spreads nicht vollständig erkläre[2]. Das Submodul des Spreadrisikos in Solvency II spiegelte lediglich die Kreditrisikokomponente wieder.

Solvency II Standardansatz und kritischer Würdigung

Als Untermodul des Marktrisikos wird im Spreadrisiko ein auf Kredit-Übergang basierter Ansatz verwendet, um die Auswirkungen der Spreadänderungen auf die Solvency Capital Requirement (SCR) zu messen.

Es wurden drei unabhängigen Kategorien für die dem Spreadrisiko ausgesetzten festverzinslichen Papiere definiert: Anleihen und Darlehen, Verbriefungen und Kreditderivate. Da das Underlying vom Kreditderivat abhängig von der Kreditwürdigkeit einer bestimmten Partei ist, ändert sich der Wert des Kreditderivats bei Änderungen der Kreditqualität.

Das SCR des Spreadrisiko-Untermoduls ist die Summe der drei Kategorien:

Mktsp = Mktspbonds + Mktspsecuritisation + Mktspderivatives

Unterschieden zwischen deren SCR-Behandlung können die drei Kategorien eingeteilt werden:

  • Anleihen und Darlehen
  • Staatsanleihen
  • Schuldverschreibungen (Covered Bonds)
  • Infrasturkturprojekt Anleihen
  • Infrastrukturunternehmen Anleihen
  • Vorrangige Simple, Transparent and Standardised (STS) Vebriefungen
  • Nachrangige STS Verbirefungen
  • Typ 1 Verbriefungen (diese Klassifizierung gilt als Übergangsmaßnahme bis 2023 nutzbar)
  • Wiederverbriefungen
  • Garantierte Verbriefungen
  • Andere Verbriefungen
  • Kreditderivate

Die Definitionen und die SCR-Berechnungsmethode von Verbriefungen wurden im Jahr 2018 geändert. Die SCR-Berechnung ist ratingbasiert. Die von der Ratingagentur ausgegebenen Emissionsratings werden zu einem Credit Quality Step (CQS) gemappt. Danach wird ein statischer Stressfaktor anhand von dem CQS und der modifizierten Duration des festverzinslichen Papiers determiniert. Dieser Stressfaktor wird verwendet um das Spreadrisko-SCR zu berechnen.

ai, bi sind Rating- und Durations-spezifisch Faktoren. mi ist die Untergrenze des Durationsintervalls

Mktspbonds = Σi=1 Stressi · MVi

Stressi = min( ai + bi * (durationimi), 1.00 )

Die Parameter für jede Kombination des Ratings, modifizierte Duration und Typ des festverzinslichen Papiers werden im Folgenden dargestellt:

Einige interessante Fakten können hier beobachtet werden. Das Verhältnis der Spreadschock-Faktoren zu den modifizierten Durationen ist nicht komplett linear. Der Schockfaktor ist nach unten analog einem einjährigen Papier und nach oben mit 100% begrenzt. Der Schock nimmt mit sich verschlechternden Ratings gewöhnlich zu, allerdings mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Der Schock verringert sich mit zunehmenden Durationen. Da die lineare Extrapolation verwendet wird, tritt der Knick in der Faktorhöhe entlang der Durationsachse sehr abrupt auf.

Die Spreadfaktoren werden empirisch kalibriert[3]. Die am Anfang aufsteigende Form der Spreadkurve und die spätere Abflachung sowie der Abfall werden oft beobachtet. Dafür wurden unterschiedliche Erklärungen vorgeschlagen:

Anleihen mit besten Kreditqualitäten erhalten die höchsten Ratings und niedrigsten Spreads. Da Kreditspreads per Definition nicht in negative Bereiche fallen können, ist Kreditmigration nur einseitig möglich, was zu einer leicht aufwärts geneigten Spreadkurve führt. Eine abwärts geneigte Spreadkurve deutet drauf hin, dass der vertragliche Cash-Flow entlang der Zeit-Achse sicherer geworden ist. Dies ist oft bei Anleihen mit schlechteren Kreditqualitäten zu beobachten und kann dadurch erklärt werden, dass sich der Wert der Anleihe im Zeitverlauf ihrer Recovery Rate nähert, da ein Ausfall wahrscheinlicher wird.

Eine weitere Erklärung für die abwärts geneigte Spreadkurve ist die Situation des Marktangebots und der Nachfrage. Aufgrund der Dominanz des Markttransaktionsvolumens durch Anleihen mit kurzfristigen bis mittelfristigen Fälligkeiten, ist die Spreadhöhe und die Form der Kurve hauptsächlich von diesen determiniert, weniger von langfristigen Fälligkeiten. Die Auffassung, dass Anleihen mit langen Fälligkeiten die bevorzugte Variante der Investoren sind und deswegen der Bid-And-Ask-Spread so eng ist, kann zudem als Erklärung der invertierten Form der Spreadkurve dienen.

Abschließend kann aus einer mikroökonomischen Perspektive argumentiert werden, dass Unternehmen langfristig besser in der Lage sind ihre Kreditqualität zu verbessern als kurzfristig.

Spreadfaktoren für Verbriefungen sind zum Teil durationsabhängig geworden. Die kürzlich eingeführte Kategorie „Andere“ kann im Grunde die alte Kategorie „Typ 2“ ersetzen, da die Schocks für jede Bonitätsstufe jeweils gleich sind.

In den meisten Fällen hat die Ausweitung des Kreditspreads eine Wertverringerung zur Folge. Für Kreditderivate wird ein Szenario-basierter Ansatz (Spread-Verengung und Spread-Ausweitung) verwendet, um zwei SCRs zu erlangen. Der höhere SCR und das zugehörige Szenario werden in weiteren Berechnungsschritten benutzt. Der Spreadschock-Faktor im Spread-Ausweitungsszenario ist rating-spezifisch; im Gegensatz dazu ist der Faktor im Spread-Verengungsszenario auf 75% festgelegt, ungeachtet des Ratings und der modifizierten Durationen.

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die Behandlung des Spreadschocks für Infrastrukturinvestitionen. Trotz der üblicherweise langen Fälligkeit, welche sehr lukrativ für Lebensversicherer ist, ist die Reduktion des Spreadschocks niedrig, insbesondere im kurzen Durationsbereich. Die Behandlung von Anleihen aus Infrastrukturunternehmen ist leicht schlechter als von Anleihen aus Infrastrukturprojekten. Im Folgenden wird ein Vergleich von Spreadfaktoren für Anleihen mit Bonitätsstufe 1 abgebildet.

Ausblick

Im Solvency II Review 2020 hat EIOPA zum Spreadrisiko von Staatsanleihen und Unternehmensanleihen, welche laut ihrer eigenen Quelle mehr als 60% des Gesamtvermögens der Versicherer ausmachen, Stellung genommen[4]:

“… Overall, sovereign spread risks are therefore only partially reflected.”

“… Overall, corporate spread risks are therefore not fully reflected.”

EIOPA betrachtet die aktuelle Behandlung des Spreadrisikos als mild und sieht weiterhin die Verwendung des gleichen Spreadschocks vor. Unter dieser Voraussetzung werden einige Optionen zum Fine-Tunen der Schocks vorgeschlagen[5].

  • Einführung einer langfristigen Behandlung, die die Spreadschocks im Bereich der längeren Duration reduziert
  • Halten-bis-zum-Fälligkeitsdatum Papiere bekommen einen abgemilderten Schock (z. B. 75% des alten Schocks für Anleihen mit Bonitätsstufe 1)
  • Einführung einer dynamischen Volatilitätsanpassung damit u. a. der Spreadschock direkt reduziert werden kann

 

Quellen:

  • [1] EIOPA (2010). Solvency II Calibration Paper. https://www.eiopa.europa.eu/sites/default/files/publications/submissions/ceiops-calibration-paper-solvency-ii.pdf
  • [2] Vgl Delianedis, G., & Geske, R. (2001). The components of corporate credit spreads: Default, recovery, tax, jumps, liquidity, and market factors.; Longstaff, F. A., Mithal, S., & Neis, E. (2005). Corporate yield spreads: Default risk or liquidity? New evidence from the credit default swap market. The journal of finance, 60(5), 2213-2253.
  • [3] EIOPA (2010). Solvency II Calibration Paper. https://www.eiopa.europa.eu/sites/default/files/publications/submissions/ceiops-calibration-paper-solvency-ii.pdf
  • [4] See EIOPA(2020): Consultation Paper on the Opinion on the 2020 review of Solvency II. https://www.eiopa.europa.eu/content/consultation-paper-opinion-2020-review-solvency-ii
  • [5] See EIOPA(2020): Consultation Paper on the Opinion on the 2020 review of Solvency II. https://www.eiopa.europa.eu/content/consultation-paper-opinion-2020-review-solvency-ii